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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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und offenbarte, dass jemand präzise Arbeit mit einem Kuhfuß geleistet hatte.
    Um zwölf wird im Therapiezentrum das Mittagessen serviert, da stiegen Tilte, Hans, Basker und ich zum Store Bjerg hinauf, damals war das Heim noch nicht abgesperrt, und wir hatten den Pokal mit, daran ließen wir Basker schnuppern und gingen unverdrossen die Zimmer durch. Wir fanden das Geld schon im dritten, das heißt, Basker fand es, die Scheine waren nicht einmal großartig versteckt, sie lagen in einer unverschlossenen Schublade in einem Schrank mit zweihundert Schlipsen auf Ausziehstangen.
    Als der Graf vom Mittagessen zurückkam, saßen wir in seinem Zimmer und warteten auf ihn. Er blieb in der Tür stehen und sagte dann: »Freut mich, euch kennenzulernen.«
    Worauf Tilte entgegnete: »Ganz unsererseits. Und es freut uns, das Geld wiederzusehen.«
    Das war unsere erste Begegnung mit dem Grafen, und nach den Anfangsschwierigkeiten und minimalen Missverständnissen, die sich leicht einschleichen können, wenn man gerade jemanden des Einbruchs und des Diebstahls von fünfzehntausend Kronen überführt hat, wurde die Stimmung richtig gut. Wir sprachen über das Leben auf Finø, und der Graf berichtete von seiner Kindheit in Nordseeland auf einem Schloss mit Wallgraben und Platz für zweihundertfünfzig Übernachtungsgäste und wie er nach der Internatszeit im vornehmen Herlufsholm von seinen Eltern eine Eigentumswohnung geschenkt bekommen hatte, die er sofort verscherbelte und sich für den Erlös Ketalar kaufte, das wie eine Art LSD sei, nur lustiger, man spritzt sich das Zeug, und zwei Minuten später wird man durch einen Punkt an der Schädeldecke ins Weltall geschossen.
    Ich merkte, wie mein Bruder Hans bei der Erwähnung des Weltalls ganz nervös wurde.
    Ein Jahr lang nahm der Graf jeden Tag Ketalar, und als das Geld verbraten war, wurde er obdachlos. Glücklicherweise hatte gerade die Pilzsaison angefangen, also zog er mit einem Zelt in den Wald. Dort, erzählte er uns, pflückten täglich kleine Kobolde Psilocybin-Pilze für ihn, die genauso gut seien wie Mescalin, und als es kalt wurde und er in die Stadt zog und in einem Treppenaufgang in Nørrebro wohnte, brachten die Kobolde ihm kleine Portionen Heroin und Kakaomilch und Valium, auf die Art überlebte er, bis er festgenommen, verurteilt und nach Finø verschifft wurde.
    Es war spät, als wir den Grafen an dem Abend verließen, wir waren Busenfreunde geworden, und wir gaben ihm jeder einen Tausender. Er stand am Fenster und sang ein Lied für uns, als wir die Einfahrt hinuntergingen.
    Die Singerei hat er beibehalten, alle zwei Wochen ungefähr steht er auf dem Rasen des Pfarrhofs vor unseren Fenstern in, sagen wir, einem pinkfarbenen Anzug mit weißen Punkten und ausgerüstet mit einer Erzlaute, einem Musikinstrument, das klingt und aussieht wie ein Ding aus dem interplanetaren Raum. Er singt dann so etwa eine halbe Stunde, der Graf steht auf Mädchen wie auf Knaben, deshalb ist er in Tilte und Hans verliebt wie eine Ratte in zwei Käsestücke. Anfangs hatte ich ein Erklärungsproblem, wenn Freunde zu Besuch waren und sie den Grafen mit seiner Erzlaute sahen und wie er gelegentlich die Hand von seinem Instrument hob, um die kleinen blauen Leute zu dirigieren, die angeblich unter unserer Veranda hausen und seine Aufführungen begleiten. Aber mit der Zeit haben wir uns an ihn gewöhnt, Tilte sagt mit ihrer berühmten diskreten Bescheidenheit, wenn man ein Königreich hat, hat man vielerlei Arten Untertanen, und nach und nach ist der Graf ein Teil der Familie geworden.
    Wie weit er in seiner Entwicklung gekommen ist, will Tilte jetzt herausfinden.
    »Rickardt«, sagt sie, »ist das nicht eine herrliche Aussicht?«
    Der Graf nickt. Er findet die Aussicht von der Terrasse des Store Bjerg auch schön. Besonders jetzt, wo sie durch Tiltes Anwesenheit genießbarer geworden ist.
    »Seit dem letzten Mal«, sagt Tilte, »hat das Heim anscheinend einen festen Türhüter bekommen. Sicherlich, um Patienten und Personal ein Gefühl der Sicherheit zu geben?«
    Der Graf nickt, genauso ist es.
    »Und die weißen Sensoren«, sagt Tilte, »auf der Gartenmauer, das sind bestimmt so ganz raffinierte, die registrieren,wenn jemand die Mauer hochklettert? Die sollen das Gefühl der Sicherheit noch erhöhen, richtig?«
    Der Graf nickt, genau das sollen sie.
    »Dann sind da diese blauen Bänder, die wir umhaben«, sagt Tilte.
    Der Graf fängt an, auf den Fußballen zu wippen.
    »Würdest du, Rickardt,

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