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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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sind gleich zwei mit von der Partie.
    Anaflabia räuspert sich.
    »Dummerweise«, sagt sie, »hat die Polizei das Pfarrhaus versiegelt …«
    Ich schlucke, jetzt kapiere ich, warum sie zum Store Bjerg gekommen ist. Nicht um uns wiederzusehen. Sondern damit wir ihr helfen, ins Pfarrhaus zu kommen.
    Tilte nickt.
    »Ich kenne einen Weg«, sagt sie. »Ist jedoch unmöglich, ihn zu erklären. Aber wenn ich mit Ihnen hinfahren könnte …«

 
    Wir gehen hinaus und überqueren die Terrasse. Und ich möchte sagen: Wir sind eine Gruppe von Menschen mit vielen widerstreitenden Gefühlen.
    Wenn ich ausnahmsweise einmal mit mir selbst beginnen darf, muss ich ehrlich zugeben, dass mir die Vorstellung, Tilte könne mich und Basker verlassen, panische Angst einjagt. Der Graf ist einfach sprachlos, er ist von einer Aura umgeben, die Thorlacius-Drøbert zu erwartungsvoller Betrachtung verleitet, so als rechnete er damit, dass Rickardts Bademütze gleich einen echten Treffer anzeigen würde.
    Die Bischöfin hingegen wirkt, als plagte sie der Zweifel. Kein religiöser Zweifel natürlich oder gar der Zweifel, ob ein Einbruch im Pfarrhaus moralisch zu rechtfertigen sei, denn in beiden Fällen weiß sie den Herrgott auf ihrer Seite, soviel ist klar. Nein, vermutlich zweifelt sie daran, dass es klug ist, mit Tilte in einem Auto zu sitzen, weil man ja nie sicher sein kann, ob das Schicksal unserer Familie nicht womöglich ansteckend ist.
    Die Sekretärin Vera bewegt sich so wachsam und gewandt wie der Bursche eines großen Feldherrn auf feindlichem und unerkundetem Gebiet. Und Minni Thorlacius-Drøbert hängt mit Anbeterblick an ihrem Gatten.
    Nun zeigt der Professor mit ausladender Bewegung auf die Bademützen und wendet sich an die Bischöfin.
    »Ich habe die Gelegenheit für ein Experiment genutzt.Wir sind drauf und dran, ein Missbrauchsgen zu lokalisieren, das einen kleinen Defekt im Hirn bewirkt.«
    Zu sagen, die Bischöfin zeige ein gewisses Interesse, wäre übertrieben. Sie zeigt nur, dass sie mit den Gehirnschäden von Finø schon genug zu tun hat, sie will nicht auch noch mit diesen hier genervt werden.
    Aber wir kennen Thorlacius-Drøbert als begabten Redner und großen Forscher, unermüdlich auf der Suche nach Informationen. Nun wendet er sich an den Grafen.
    »Wie«, sagt er und zeigt auf mich, »schätzt man die Chancen des Knaben ein, geheilt zu werden? Und sollten wir nicht die Gelegenheit nutzen, sein Gehirn zu scannen?«
    Graf Rickardts Lage ist heikel. Unüberschaubar. Er blickt dem Professor über die Schulter und macht eine winkende Bewegung.
    »Das sind nur die kleinen blauen Kobolde. Die unter der Terrasse wohnen. Ich winke sie bloß heran.«
    Plötzlich und unerwartet werden wir an den Wahlspruch erinnert, nie aufzugeben, sondern mit dem Anklopfen fortzufahren, auch wenn es keine Tür gibt. Denn Anaflabia Borderrud mag als Schauspielerin wohl nur mäßige Zukunft haben, aber im Showbusiness eröffnen sich ihr ungeahnte Möglichkeiten. Die Aussicht auf kleine blaue Kobolde zwischen ihren Beinen verführt sie zu einem überraschend hohen Sprung mit echtem, kurzzeitigem Schweben.
    Thorkild Thorlacius ist stehen geblieben. Er betrachtet den Grafen intensiv, man spürt, dass seine kühnsten Erwartungen in Bezug auf Missbrauchsgen und Gehirnschäden übertroffen zu werden scheinen.
    In dieser Situation des plötzlichen Chaos direkt vor dem Torraum schlägt Tilte zu.
    »Ich muss mein Gepäck mitnehmen«, sagt sie. »Es ist leider ein bisschen schwer. Würden Sie mir beim Tragen helfen, Herr Professor?«
    Unter anderen Umständen hätte die Sache mit dem schweren Gepäck vermutlich das Misstrauen von Thorlacius und Anaflabia Borderrud geweckt. Aber sie sind beide zu zerstreut. Thorkild Thorlacius hat lediglich mitbekommen, dass eine junge Dame ihn gebeten hat, ein schweres Gepäckstück zu tragen. Er drückt den Rücken durch.
    »Ich bin Mitglied im Akademischen Boxklub«, sagt er.
    Es sieht aus, als wollte er die Jacke ausziehen, die Hemdsärmel aufkrempeln und Tilte seinen Bizeps zeigen. Ihre Handbewegung gebietet ihm Einhalt.
    »Wie süß von Ihnen, Professor. Sehen wir uns in zehn Minuten auf meinem Zimmer?«

 
    Als Tilte die Tür zu unserm Zimmer hinter uns schließt, verschränke ich die Arme vor der Brust. Ich bin nicht der Typ, der die Sonne über seinem Zorn einfach untergehen lässt, und innerhalb der letzten halben Stunde hat Tilte meinen bislang makellosen öffentlichen Ruf in den Schmutz gezogen und es

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