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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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»Gut. Ist der Korb da alles?«
    Dann wuchtet er mich hoch und schleppt mich hinaus.
     
    Der Korb dämpft die Geräusche. Aber ich höre dem Atem des Professors an, dass sie im Akademischen Boxklub vielleicht doch eher dem Kognak und den Zigarren zusprechen als dem Seilspringen und dem Sandsack. Und dann kann ich hören, dass wir leider bei der Bischöfin angelangt sind, denn ihre Stimme durchdringt alles, und wenn noch Platz im Korb gewesen wäre, hätten mir meine Haare zu Berge gestanden.
    »Wir müssen den Deckel abnehmen und schauen, was hier rausgetragen werden soll«, sagt sie. »Aus einem Haus wie diesem.«
    Dann höre ich Tiltes Stimme. Cool, aber warnend.
    »Davon würde ich Ihnen dringend abraten, Frau Borderrud. Das ist ein Finø-Waran.«
    Damit du verstehst, was jetzt passiert, muss ich schnell etwas über das Tier- und Vogelleben Finøs einschieben.
    Bevor Tilte und ich der Vorsitzenden des Fremdenverkehrsvereins, Dorada Rasmussen, mit helfender Hand beisprangen und die alljährliche Broschüre des Vereins verbesserten, hatte Finø eine reiche Fauna, ohne nun gleich ein Mato Grosso zu sein.
    Wir packten die Sache wie folgt an: Zunächst beschafften wir die Fotos des Zahnwals, der sich einmal verirrt hatte, an Finø vorbeitrieb und in der Förde von Randers strandete. Dann nahmen wir die Fotos, die Hans vor sieben Jahren in einem strengen Winter aufgenommen hatte, als die Rettungsstation Finø und die Wald- und Naturverwaltung einen Eisbären fangen mussten, der von Spitzbergen auf einer Eisscholle hergetrieben worden war. An diesem Punkt hatte Dorada die Ausmaße unserer Vision verstanden und kam mit dem Video ihres Amazonaspapageis, der aus dem Bauer entwischt war und in der Blutbucheim Garten des Fremdenverkehrsvereins saß, im Hintergrund die Danebrog-Fahne. Die nächste Sequenz, in der der Papagei von einem Hühnerhabicht torpediert und zerfetzt wurde, schnitten wir lieber weg. Wir ließen Farbfotos von der Aufnahme machen und komponierten eine Broschüre zusammen, in der zwar nicht direkt stand, Finø sei das Neuseeland Skandinaviens mit polarem Klima und Tropenparadies auf ein und derselben Insel, in der aber die Fotos ihre eigene deutliche Sprache sprachen. Obendrein hatte Tilte vom Heimatmuseum Finø eine Nationaltracht ausgeborgt, sie musste sie auftrennen, um Hans hineinzwängen zu können, und dann haben wir ihn in Kniehosen, langen Strümpfen und Schuhen mit silbernen Schnallen und mit im Wind flatterndem Haar aufgenommen und daruntergeschrieben: »Finø-Bewohner auf dem Kirchgang in typischer Tracht, die noch heute gern getragen wird.«
    Am Ende der Broschüre prangte ein Bild meiner Riesenpython Belladonna im Regenwald Randers , wir mussten sie nämlich weggeben, als sie zweieinhalb Meter lang geworden war und sich nicht mehr mit Karnickeln abfand, sondern nach lebenden Ferkeln verlangte. Da hatte sich meine Mutter quergestellt, Ferkel im Pfarrgarten wollte sie nicht dulden.
    Die Broschüre wurde ein sensationeller Erfolg. Sie beendete die sinkende Nachfrage, seither strömen die Leute in Massen.
    Allerdings gab es die eine oder andere Nebenwirkung. Auf der Städtischen Schule mussten Tilte und ich ein paar Schwachsichtige abstrafen, die fanden, unser großer Bruder Hans sehe auf dem Foto wie ein Dorftrottel aus. Und dann hat die Broschüre in der dänischen Öffentlichkeit inBezug auf Finøs Flora und Fauna für gewisse Verwirrung gesorgt.
    Eine Verwirrung, die Tilte nun allerdings zu ihrem Vorteil nutzt, indem sie behauptet, im Korb sei ein Finø-Waran.
    Blitzschnell zieht die Bischöfin ihre Hand zurück und macht noch so einen dieser Sprünge, die ihr einen Platz im Århuser Ballett sichern werden, falls sie als Bischöfin irgendwann den Überblick verlieren sollte.
    »Mein kleiner Bruder hatte ihn dabei«, sagt Tilte. »Aber Rickardt meint, es sei zu riskant, ihn frei herumlaufen zu lassen.«
    Der Graf gurgelt wieder mit Vademecum, höre ich. Dann wird der Korb angehoben, diesmal etwas respektvoller, Treppen hinunter- und Flure entlanggetragen und offenbar in den Kofferraum von Thorlacius-Drøberts Mercedes gestellt. Personen nehmen Platz, ich hoffe, alle sind dabei, das heißt der Professor, seine Frau, die Bischöfin, Sekretärin Vera, Tilte und Basker. Das Auto startet, fährt vor, es werden zwei Worte mit der Torwache gewechselt. Und endlich, nach einem der schwärzesten Tage unseres Lebens, sind Tilte, Basker und ich auf dem Weg in die Freiheit. Eine Freiheit, die – daran

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