Die Kinder der Elefantenhüter
aber seine Klugheit beruht eher auf Lebens- denn auf Schulweisheit, möchte ich sagen. Ich schätze, er wüsste nicht, was ein Metropolit ist, wenn Tilte ihn nicht wegen seines ähnlich klingenden Namens so getauft hätte, Metro Poltrop, und weil er ihrerMeinung nach die Ausstrahlung eines Metropoliten hat, der eine Art Chefpriester der griechisch-russischen orthodoxen Kirche ist. Und Bent mag Tilte, und er mag das neue Wort, das erklärt, warum der Titel hier in die Diskussion geworfen wird.
»Ich kann alles erklären«, sagt Thorlacius-Drøbert. »Wir nehmen gerade eine psychiatrische und theologische Überprüfung des Pfarrhofs vor.«
»Die mit der Besichtigung der Fenster im zweiten Stock anfängt«, sagt Bent.
Dieses Detail lässt der Professor beiseite.
»Ich kann alles erklären«, sagt er. »Und ich kann mich ausweisen. Das Auto steht dahinten.«
Er tritt auf die Auffahrt hinaus, Beamter Bent und John hautnah bei ihm, er hebt resigniert die Hand, hier parkte einmal sein Mercedes, jetzt steht nur noch der Korb da.
Der Professor ist erschüttert. Doch große Forscher lassen sich nicht so schnell außer Gefecht setzen, sie suchen beständig nach Auswegen.
»Wir hatten das Mädchen im Auto«, sagt er. »Dilde hier. Sie hat ihren Bruder besucht, der abhängig und kriminell ist und da oben zur Therapie verurteilt wurde.«
Er will in Richtung Store Bjerg zeigen, hat aber offenbar die Orientierung verloren, er zeigt nämlich zum Konsum hinüber und zum Altersheim dahinter. Bent und John betrachten ihn aufmerksam.
»Wir hatten das Mädchen im Auto und dieses Kriechtier«, sagt der Professor. »Den Waran. Den Finø-Waran.«
Er zeigt auf den Korb. Und zum Beweis für die Richtigkeit seiner Geschichte hebt er den Deckel. Er und Bent und John schauen hinein. Der Korb ist leer.
Jetzt fällt Thorlacius’ Blick auf mich.
»Der Junge«, ruft er. »Der Süchtige. Er hat sich für die Echse ausgegeben!«
Rettungs-John und Beamter Bent wechseln Blicke.
»Da ist auch Alkohol im Spiel«, sagt Bent. »Narkotika und Alkohol zusammen. Kenn ich. Wirkt, als ob man das Hirn durchgepustet bekäme.«
Die Gesichtsfarbe des Professors nimmt einen interessanten Ton an, Fachleute sagen dazu wohl purpur. Beamter Bent ergreift Thorlacius’ Arm und zieht mit der anderen Hand ein weiteres Paar Handschellen aus der Tasche.
Das nun Folgende ändert unsere Meinung über den Akademischen Boxklub aufs Neue und führt uns zur ersten Theorie zurück, dass sich nämlich die dortigen Aktivitäten auf hohem sportlichen Niveau abspielen. Denn Professor Thorlacius versetzt Beamtem Bent einen Schlag aufs Zwerchfell, den keiner so aus dem Ärmel schütteln könnte, ohne vorher ordentlich trainiert zu haben.
Bents hundertvierzehn Kilo sind ein gutes Polster. Aber hundertzwanzig wären noch besser. Der Schlag presst ihm die Luft aus den Lungen, und er geht in die Knie.
Aber schon hat sich Rettungs-John auf Thorlacius geworfen, er hat aus Bents schwerem Schicksal gelernt und deckt seine Weichteile und legt den Professor in Eisen.
»Achtung, Hintermann!«, sagt Tilte.
John hat sich nämlich aufgerichtet wie nach einer geglückten Bergung, hat aber Minna vergessen, die meine Erfahrung lebhaft bestätigt, dass manche Ehepaare so eng wie eine Kommandoeinheit miteinander verbunden sein können. Wie ein Projektil rammt sie John von hinten, wobei sie einen Laut ausstößt, der sich in meinen Ohren wie der Angriffsschrei einer japanischen Kampfsportart anhört.
Schließlich fangen die Bischöfin und Vera an zu rennen, mit den gefesselten Händen auf dem Rücken, bloß weg vom Tatort! Keine sehr kluge Entscheidung, aber man kann sie verstehen. Wenn das Gefühl des Weltuntergangs in einem aufsteigt, haben wir alle den Impuls, die Flucht zu ergreifen.
Dann spüre ich Tiltes Hand auf meinem Arm.
»Die kommen in Arrest, ins neue Gebäude«, sagt sie. »Bis Montag früh. Das ist Bents Politik bei Trunkenbolden. Wir haben vierundzwanzig Stunden Zeit.«
Es ist unheimlich, wie schnell das Leben aus einem Haus weicht, das verlassen ist.
Natürlich ist der Pfarrhof gar nicht verlassen, aber wir sind nun seit einer Woche weg, und das Haus hat sich schon verändert. Im Eingang liegt ein Fensterumschlag, den die Post unter der Tür hindurchgeschoben hat, und er ist bereits leicht vergilbt. Die Pendeluhr über der Schlafbank schlägt zwar wie gewöhnlich, alles im Zimmer meines Vaters ist wie sonst, auch das Licht, das durch die großen Fenster und
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