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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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des Großen Bergs den altnordischen Göttern opfert. Trotzdem meinen viele, Ejnar hätte die Stellung halten können, wenn er nicht darüber hinaus Trainer der ersten Mannschaft des Finø Boldklubs sowie der Überzeugung gewesen wäre, es sei geradezu schädlich für junge Menschen unter achtzehn, dreißig Stunden und ein paar Zerquetschte auf ihrem Hintern zu hocken. Als also das ganze Lehrerkollegium, alles eingeborene Finøer, ihm den Rücken stärkte, waren wir meist draußen und spielten Fußball und badeten und fuhren zu den Rabalderholmen hinaus und saßen angenehm selten in der Schule. Doch schließlich schickten das Unterrichtsministerium und der Bezirk Grenå eine Strafexpedition.
    Sie bestand nicht aus Thorkild Thorlacius und Anaflabia Borderrud, sie bestand aus Alexander Finkeblod undausgewählten Berserkern, aber ich würde sagen, das Ergebnis lag in derselben Gewichtsklasse.
    Obwohl er eben erst seinen dreißigsten Geburtstag feierte, ist Alexander Finkeblod ein Dr. paed. und hat einen zielgerichteten Ausdruck im Gesicht, als wäre das Leben ein Geländelauf und als sähe er eine lange, extreme Steigung vor sich und wollte als erster ankommen. Was er unternommen hat, um es so weit im Leben zu bringen, wissen wir nicht, auf jeden Fall war es seiner Motorik nicht förderlich, denn bei jedem Schritt macht er einen kleinen Extraheber mit den Füßen, was einen Gang ergibt, der vielleicht für einen Auftritt im Zirkus effektvoll wäre, aber eher riskant ist, wenn man täglich vor zweihundert Kindern und Jugendlichen steht, die davon überzeugt sind, mit der Deportation von Ejnar Tampeskælver sei auch das goldene Zeitalter ihrer Kindheit beendet worden.
    Diesen Gang mit dem Heber höre ich jetzt hinter mir.
    Ich bin bekannt für mein scharfes Gehör. Schon lange bevor Alexander Finkeblod in mein Gesichtsfeld tritt, das etwas begrenzt ist, weil ich nach Kaj Molesters Abfertigung noch immer mit dem Deckel des Weidenkorbs auf dem Kopf dastehe, kann ich hören, dass er sein Windspiel Baronesse dabeihat.
    Ich muss zugeben, dass mir Alexander gegenüber ein bisschen die entspannte Natürlichkeit fehlt, die man seinen Lehrern gegenüber empfinden sollte. Aber wenn man sich nicht ganz sicher fühlt, kann man immer noch zu der natürlichen Höflichkeit Zuflucht nehmen, die man zu Hause gelernt hat, also ziehe ich den Deckel und verbeuge mich, soweit es mit dem Korb geht, und sage:
    »Guten Tag, Doktor Finkeblod, guten Tag, Baronesse.«
    Wenn wir ein seltenes Mal ein Spiel mit der erstenMannschaft verloren hatten, sagte Ejnar Fakir tröstend, man könne nicht mehr verlangen, als sein Bestes getan zu haben. Auch jetzt habe ich mir also nichts vorzuwerfen. Trotzdem ist das Beste zuweilen nicht gut genug, in diesem Moment zum Beispiel nicht, denn obschon man den Blick, den Alexander Finkeblod mir zuwirft, verschieden deuten kann – eines sagt er jedenfalls nicht aus: dass er mich adoptieren will, falls meine Eltern nicht wieder auftauchen sollten.
    Kaum ist er an mir vorbei, tippt mir Tilte auf die Schulter.
    »Petrus«, flüstert sie, »los geht’s!«

 
    Ich kann nicht direkt behaupten, ich hätte einen richtigen Führerschein. Aber ich habe die Schul-Fahrradprüfung gemacht, und wie die meisten anderen bin ich Trecker gefahren und Seifenkiste und Gokart und Golfwagen und Kutsche und Vaters und Mutters Maserati. Ich mache es mir in Thorkild Thorlacius’ Mercedes also gemütlich wie in meinem eigenen Zimmer. Und ich muss zugeben, es ist ein Genuss mit den neuen Ledersitzen und der Automatikschaltung.
    Vollkommen wäre die Situation allerdings, wenn ich jetzt auch noch durch die Windschutzscheibe gucken könnte, denn in dem Punkt ist Tilte entschieden zu optimistisch gewesen. Aber man kann ja nicht alles haben, und ich tröste mich damit, dass meine Mutter oft gesagt hat, man fahre Auto mehr nach Intuition als auf Blick, außerdem kann ich ja den Himmel sehen und den oberen Teil der Mauer, die den Pfarrhof umgibt.
    Der Schlüssel steckt, ich lasse den Motor an und fahre vorsichtig die Auffahrt entlang und um die Ecke.
    Ich habe allen Grund zu glauben, dass die Bahn frei und Alexander Finkeblod längst weg ist. Daher ist meine Verblüffung groß, als plötzlich sein Haarschopf ins Blickfeld kommt.
    Im letzten Moment kann ich ihm und Baronesse ausweichen. Aber sie müssen trotzdem überrascht gewesen sein, obwohl ich wie eine Schnecke fahre, denn sie springenum ihr Leben, und ich bin ganz froh, dass ich dem Blick

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