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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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der Finø Bank beurlauben und ging zwei Jahre nach Indien. Als sie dann wiederkam, trug sie den neuen Namen und weiße Kleider und ein goldenes Krönchen, das heißt, wenn sie nicht gerade im Dienst war. Sie fing auch an, Yoga und Meditation zu unterrichten, die Schüler strömten ihr zu und gingen dann in Weiß und kriegten neue Namen, und vor ein paar Jahren kauften sie Finønæs. Als Menschen sind sie total nett, echt beliebt und respektiert in der Gegend, man muss sich halt nur an die schrulligen Namen gewöhnen.
    »Es ist Montag«, sagt Tilte. »Vor Mittwoch geht keine Fähre. Wie kommt ihr denn zum Festland rüber?«
    »Mit dem Schiff«, sagt Leonora. »Bis ganz nach Kopenhagen. Auf der Weißen Dame von Finø .«
    Ich will nicht behaupten, dass wir denken. Wenn man vor einer großen, aber verwickelten und nicht ungefährlichen Möglichkeit steht, kommt man mit Denken nicht weit. Stattdessen soll man fühlen, und wir fühlen nach innen, dorthin, wo die großen Ideen herkommen.
    »Warum Die weiße Dame ?«, fragt Tilte.
    Die weiße Dame von Finø ist ein Schiff, das nicht ganz so hoch ist wie die Finø-Fähre, dafür aber länger. Es wurde von unserer Werft für einen arabischen Ölscheich und seinen Harem gebaut und hat zweiundvierzig separate Kajüten mit Wasserhähnen aus Gold und einen Pool und eine Frauenklinik. Es ist weiß wie Schlagsahne und mit mehrElektronik vollgestopft als unser Pfarrhof und zwölf F16-Jets zusammen. Wir haben dieses Insiderwissen, weil unsere Mutter siebenmal gerufen wurde, um den Spezialisten auf der Werft zu helfen, die Stabilisatoren in Gang zu bringen, und sie hat uns zweimal mitgenommen.
    »Einer der Sponsoren der Konferenz ist Kalle Kloak«, sagt Leonora.
    In Tilte, Basker und mir ist ein großer Entschluss gereift, gleichzeitig und ohne dass wir uns auch nur einen Blick zuwerfen müssten. Wir haben beschlossen, dass Die weiße Dame soeben drei weitere Passagiere bekommen hat. Und zwar aus zwei Gründen. Einerseits ist das eine einzigartige Gelegenheit, aufs Festland zu kommen. Aber da ist noch etwas anderes. Obwohl wir keine unmittelbaren Beweise haben, ist es unwahrscheinlich, dass das Verschwinden unserer Eltern nichts mit der Konferenz zu tun hat: der Mix aus bedeutenden internationalen Personen, die Gott ebenfalls erleben wollen, und unsern Eltern mit ihren inneren Elefanten verspricht einen explosiven Cocktail, den wir so fix wie möglich zu entschärfen versuchen sollten.
    In diesem Augenblick hören wir Motorenlärm, sehen Licht in der Nacht, und vor den Tempel rollt ein Fahrzeug, das für Beerdigungen auf dem Mond gebaut zu sein scheint.

 
    Äußerlich ist das Auto, das vor Leonoras Kloster hält, ein Leichenwagen, das heißt, es ist schwarz und hat hinten große Scheiben und Platz für einen Sarg mit Blumen und strahlt ausreichend Würde aus, so dass Bermuda Svartbag Jansson langsam davonrollen kann, während die Hinterbliebenen mit dem Gefühl zurückbleiben, der Wagen könne eigentlich direkt gen Himmel fahren.
    Dieses Gefährt ist von einer stärkeren Aura umgeben als andere Leichenwagen, denn es hat normale Kfz-Kennzeichen und Vierradantrieb, ist einen halben Meter höher und anderthalb Meter länger als seine Konkurrenten, weil es neben dem Platz für den Sarg noch sieben Extrasitze hat, da Bermuda hin und wieder für den Schulbus einspringt und außerdem noch ihre eigenen vier Kinder unterbringen und überhaupt rechtzeitig zu den Hausgeburten in den entlegenen Ecken der Insel gelangen muss, also wenn man die Bedingungen auf Finø kennt, braucht man sich über das Auto nicht zu wundern.
    Worüber man sich allerdings wundern kann, ist der weiße Sarg im Wagen.
    »Das ist Vibe aus Ribe«, sagt Bermuda. »Sie soll nach Kopenhagen, um gesegnet zu werden. Von Da Sweet Love Ananda.«
    Basker schnuppert skeptisch am Sarg.
    »Ist das nicht schon eine Weile her, dass sie starb?«, fragt Tilte.
    »Zehn Tage. Aber sie ist gekühlt. Der Sarg hat eine tragbare Kühlvorrichtung.«
    Da Sweet Love Ananda ist Gitte Grisanthemums indischer Guru. Ich widme ihm einen mitfühlenden Gedanken. Vibe aus Ribe hat jahrelang die Eisbude am Hafen geschmissen und ist immer dafür bekannt gewesen, an heißen Tagen, wenn ihr das Eis auszugehen drohte, den Kindern hohle Kugeln anzudrehen, um auf diese diabolische Weise ihr Warenlager zu strecken. Möge Gott ihrer Seele gnädig sein.
    Als wir uns ins Auto setzen, fragt vorläufig keiner, warum wir mitkommen. Es ist nicht übertrieben, wenn ich

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