Die Kinder der Elefantenhüter
sage, dass Tilte und Basker und ich in weiten Teilen Finøs als eine Art Maskottchen betrachtet werden, allgemein ist man der Meinung, dass mit uns Projekte glücken und alles ins Lot kommt und sich eine herzliche und heitere Stimmung verbreitet.
Dann fährt das Auto vom Parkplatz und durch den Strandhafer auf die Straße. Ich drücke Tilte die Hand und klopfe Basker den Hals, wir haben alle drei das Gefühl, trotz der ernsten Lage auf dem richtigen Weg zu sein.
Ich finde, ich sollte die friedliche Transportzeit in einem vierradangetriebenen Fahrzeug, das über Finøs Große Heide fährt, die den östlichen Teil der Insel bis zum Wald bedeckt, ich finde, ich sollte diese Zeit nutzen, dir noch ein paar Einzelheiten über meine Eltern zu verraten, nämlich was sie nach jenem Abend in der Küche, als Tilte nach den Sakramenten gefragt hatte, in Gang gesetzt haben.
Am folgenden Sonntag, dem siebenten nach Heilige Drei Könige, spricht mein Vater über die Verklärung auf dem Berge.
Wie ich dir schon sagte, ist dieser Text für meinen Vater nicht ganz einfach. Solange er Jesu und der Jünger Aufstieg auf den Berg beschreibt, geht es glatt, da klingt er wie eine Mischung aus Alpen- und Pfadfinderführer, aber wenn er zu der Wolke kommt, die sich über die Expedition senkt und aus der Gott spricht, fängt er an zu schwimmen und zu leiern, was man gut verstehen kann, weil diese Stelle eine Sintflut an Fragen auslöst. Wenn zum Beispiel Gott zu Jesu und den Jüngern spricht, ist er dann eine Art Person, und wie sieht die Person aus, und was kann man tun, wenn man Gott selbst gern hören will, und wie kann sich der Heiland mit verstorbenen Propheten unterhalten, und auf all die Fragen hat Vater so wenige Antworten, dass er sie nicht einmal zu stellen wagt, das weiß er, gleichzeitig fürchtet er, dies einzugestehen, und ist niedergeschlagen, weil er es fürchtet, und all das bewirkt, dass er sich an dieser Stelle anhört, als hätte er den Mund voll Grütze, und unten in der Kirche sitzen wir drei Kinder und schämen uns für ihn und fühlen mit ihm und wissen weder ein noch aus.
Dann tritt eine kleine Katastrophe ein. Mit einem Schlag wird die Finøer Kirche in Nebel gehüllt, und zwar in dem Augenblick, in dem Vater vorliest, dass Jesus von einer Wolke überschattet wird.
Es ist nicht außergewöhnlich, dass die Kirche und die ganze Stadt Finø in Nebel gehüllt sind, das liegt an ihrer Lage mitten im Meer der Möglichkeiten mit seinen warmen und kalten Luftströmen, was mein Bruder Hans ausführlich und langweilig erklären könnte. Das ist eine ganz natürliche Erscheinung. Zu Beginn von Vaters Lesung strahlt die Sonne von einem blauen Himmel, als wäre Finø die Perle des Mittelmeers, am Ende des Satzes herrscht Nebel, und die Kirche ist wie in Baumwolle eingepackt,wir haben das schon oft erlebt und werden es immer wieder erleben, damit brauchen wir uns nicht länger zu beschäftigen. Als Vater nun aber an die Stelle kommt, wo eine Stimme aus der Wolke erklingt, in diesem Augenblick wird die große Glocke im Turm angeschlagen.
Auch das hat seine natürliche Erklärung, wie Tilte, Mutter und ich nach dem Gottesdienst erkennen, als wir in den Turm hinaufsteigen. Dort finden wir nämlich eine Schleiereule, die gegen die Glocke geflogen ist. Wir glauben, sie sei tot, bis Mutter sie auf den Schoß nimmt und ihr die Stirn streichelt. Der Vogel schlägt die Augen auf und starrt Mutter so verliebt an, dass mir der Achselschweiß rinnt, aber dann siegt die gesunde Vernunft, die Eule weiß wieder, dass sie eine Eule ist und kein erster Liebhaber, sie springt auf mit Geheul und verschwindet oben im Turm.
Aber das geschah leider erst nach dem Gottesdienst. In der Kirche denkt keiner an natürliche Erklärungen, dort sind alle nur total überrumpelt und gelähmt, weil genau an dieser Stelle die Glocke angeschlagen wird.
Vielleicht hätte die Situation zu diesem Zeitpunkt noch gerettet werden können, vielleicht hätten wir Vater und Mutter hinterher wieder auf die Erde holen können. Aber jetzt geht alles schief.
Ich will nicht ausschließen, dass hinter Natur und Wetter noch andere Dinge am Werke sind, aber wenn an jenem Sonntag etwas im Spiel ist, außer der Meteorologie, dann finstre und dämonische Kräfte. Als Vater nämlich am Ende seiner Predigt angelangt ist, geschieht etwas Seltsames mit dem Nebel, der bislang wie Zuckerwatte über einer Weihnachtsszenerie gelegen hat. Plötzlich entsteht in der Watte ein Loch,
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