Die Kinder der Elefantenhüter
Mink mussten als Teil des gerichtlichen Vergleichs dran glauben, und Mutter bastelt an einem neuen Apparat zur Stimmerkennung, der einer Kuckucksuhr ähnelt.
Vater räuspert sich.
»Die Sache ist die«, sagt er, »dass das Mirakel, dem eure Mutter und ich die Richtung gaben, zeitlich gleichsam verschoben wurde. Das heißt, die Geldscheine verschwanden nach Plan, tauchten aber nicht wieder auf. Die Aufregung ist groß, aber das wird mit den Investitionsgesellschaften und Behörden geklärt, und es gelingt mir, die Situation zur Zufriedenheit aller zu lösen, wir einigen uns, die Sache nicht weiterzuverfolgen. Völlig überraschendtaucht das Geld dann eine Woche später wieder auf. Theologisch sind eure Mutter und ich der Meinung, dass wir es nicht mit einem augenblicklich eintretenden, sondern zeitlich gedehnten Wunder zu tun haben. Aber bevor wir uns auf die neue Situation einstellen und sie verarbeiten können, werden wir von der Polizei kontaktiert, der es, um die volle spirituelle Bedeutung der Situation zu ermessen, leider an geistiger Tiefe mangelt.«
»Und wo werdet ihr von der Polizei kontaktiert?«, fragt Hans.
»Am Schalter eines Unternehmens, das Dänische Diamanten- und Edelmetallinvestitionsgesellschaft heißt, und zwar in dem Moment, in dem wir das Geld im Hinblick auf eure Zukunft in Gold und Platin anlegen wollen.«
In der Küche wird es sehr still. Wenn du meinst, diese Stille sei voll Trauer über diese Hochstapler von Eltern und voll Respekt, dass es ihnen trotzdem gelungen ist, Investitionsgesellschaften, Kirchenministerium, Reichspolizei und das gerichtspsychiatrische Untersuchungskomitee davon zu überzeugen, dass uns allen am besten damit gedient ist, die Sache nicht an die große Glocke zu hängen, damit nicht jeder darauf aufmerksam wird, wenn du das meinst, hast du den Nagel auf den Kopf getroffen.
Es geschieht noch etwas anderes in dieser Stille, und das ist schwerer zu erklären. In gewisser Weise, es sind vielleicht zehn Prozent seiner selbst, glaubt Vater nämlich, er und Mutter hätten die Nummer mit himmlischer Hilfe vollbracht, überdies haben sie es getan, um unsere Kindheit und Zukunft mit Gold- und Platinbarren zu versüßen, das heißt, irgendwie fordert uns die ganze Sache auch auf: Sei wachsam, denn die Liebe kann in derartigen Verkleidungen kommen, dass du sie manchmal kaum erkennst.
In dem Augenblick vergeben wir unseren Eltern. Es wird kein Wort mehr darüber verloren, das Thema wird fallengelassen und nicht wieder aufgenommen, außer vielleicht in Mutters und Vaters Albträumen, hoffe ich. Aber Tilte und Basker und Hans und ich, wir sehen in diesem Augenblick ein: Wenn du bestrebt bist, mit anderen Menschen Nachsicht zu üben, bist du gezwungen, auch ihren Elefanten verzeihen zu können.
Das Meer der Möglichkeiten
Wenn man eine vier Kilometer lange Lindenallee bis zu seinem Haus gepflanzt und die Allee anderthalbmal so breit wie die Hauptstraße angelegt hat, ist die Erwartung der Besucher hoch gespannt. Eine Erwartung, die nicht viele Gebäude erfüllen könnten, aber Finøholm kann es, und heute Abend erfüllt es die Erwartung gleich doppelt.
Finøholm liegt an der Küste, so dass man von oben zum Hauptgebäude kommt, und wenn man die letzte Biegung nimmt, fährt man zwischen zwei großen kreisrunden Glaspavillons hindurch mit Seerosenteichen und Tropenbäumen und Platz für jeweils achtzig Jagdgäste. Oben sind sie mit drei vergoldeten Seehunden verziert, die auf drei vergoldeten Wildschweinen balancieren, das sieht ein wenig nach Zirkusnummer aus, ist in Wirklichkeit aber nur ein Detail aus Kalle Kloaks Wappen, das er sich sofort nach dem Erwerb von Finøholm entwerfen ließ.
Kalle Kloak ging mit unserem Vater auf die Städtische Schule in Finø, bevor er – also Kalle – nach Frederikshavn zog und Unternehmer wurde und eine Milliarde, also tausend Millionen, mit dem Bau und der Restaurierung des größten Teils der mitteljütländischen Kloaken und Kanalisationen verdiente. Danach wurde er ins Folketing gewählt. Mein Vater hat erzählt, dass Kalle schon in der Schule davon träumte, Gutsherr zu werden, und Spiele erfand, bei denen die anderen die Diener und Fronbauernsein mussten, während er den Gutsbesitzer und Lehnsherrn spielte und in der Sänfte getragen werden wollte. Als er dann aus Frederikshavn zurückkehrte, kaufte er Finøholm vom Grafen Finø, der alt und so arm war, dass seine Mittel gerade reichten, um einen Raum zu heizen, und zwar die
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