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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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wir sind der Meinung, die Wahrheit muss ans Licht. Wir haben angefangen, diese Kinder und ihre Nachkommen aufzuspüren. Und haben entdeckt, dass ein Mensch, der ohne es zu wissen Aristokrat ist, zwei Kennzeichen hat. In erster Linie den, wie wir sagen, ›inneren Adel‹, das natürliche Gefühl, den Adelskreisen anzugehören. Und dann eine physiognomische Ähnlichkeit.«
    Ich will nicht behaupten, ich hätte alles verstanden, was Tilte sagte. Aber ich bin sicher, dass sie die letzte Sandbank hinter sich gelassen hat und sich jetzt da befindet, wo man keinen Grund mehr unter den Füßen hat.
    Aber offensichtlich kann ich beruhigt sein. Kalles Atemzüge werden schneller, seine Augen erscheinen milchweiß,wüsste man es nicht besser, könnte man einen Zusammenbruch befürchten, aber der Mann ist ja ein alter Erd- und Betonmalocher, robust wie ein Brauereipferd.
    »Peter und ich«, sagt Tilte, »sind mit Hunderten von Familienporträts aufgewachsen. Und als wir Sie vorhin sahen, durchlief uns ein Zittern. Ihre Ähnlichkeit, Charles, mit einem echten Ahlefeldt-Laurvig Finø ist nämlich zutiefst verblüffend.«
    Wieder einmal stehen wir vor einem Exempel, dass das gewöhnliche Denken aussetzt, sobald man ohne Umschweife das Innerste im Menschen anspricht. Kalle Kloak ist in diesem Augenblick Wachs in unseren Händen, und ein Platz auf der Weißen Dame rückt in Reichweite.
    Also stell dir mein Entsetzen vor, als aus der dunkelsten Ecke des Raumes eine Stimme erschallt.
    »Sind das die Segelohren?«
    Wir drehen uns um. In der Tiefe des Raums sitzt eine Frau mit hochgesteckter korngelber Frisur, die aussieht wie ein Heuwagen mit Dauerwelle, und mit Unterarmen wie die Ochsenbraten auf dem Buffet und einem kühlen Pils neben sich. Wir wissen sofort, wem wir gegenüberstehen, nämlich Kalle Kloaks Gattin Bullimilla Madsen, die wir mit Kalle in der Kutsche haben vorbeifahren sehen und die angeblich ausgebildete Kaltmamsell ist und ihren Nachnamen nicht in de Finø umändern wollte und mit Sicherheit freigebiger als ihr Mann ist, denn am Tag, nachdem Tilte und ich den vergeblichen Versuch unternommen hatten, Lose auf Finøholm zu verkaufen, versuchte es Hans noch einmal, er traf Bullimilla zu Hause an, und sie kaufte die ganze Palette.
    Das heißt, wir haben den Eindruck eines Menschen mit vielen Qualitäten in seiner Persönlichkeit.
    Charles de Finø ist offenkundig der Meinung, uns vorstellen zu müssen.
    »Tilte und Peter Ahlefeldt-Laurvig«, sagt er. »In der Ordenstracht der Höheren Veranda.«
    Die Frau kostet das Pils.
    »Sieht eher aus wie unsere Gardinen, Kalleken.«
    Das ist eine scharfsinnige Bemerkung, die aber nicht bis zu Kalle Kloak vordringt. Für ihn stehen wichtigere Dinge auf der Tagesordnung.
    »Wie sollen wir jetzt weiter vorgehen?«, sagt er. »Mit der möglichen – gewissermaßen wahrscheinlichen – Verwandtschaft?«
    »Ahnenforschung«, sagt Tilte. »So geht’s voran. Wir brauchen Ihre Stammtafel. Und dann müssen wir nach Kopenhagen. Ins Reichsarchiv. Und zur Dänischen Adelsvereinigung. Leider geht die nächste Fähre erst am Mittwoch. Das muss also warten.«
    » Die weiße Dame legt heute Nacht ab«, sagt Kalle. »Wir besorgen Ihnen eine freie Kajüte. Und meine Stammtafel.«
    Er hängt kopfüber in einer Schublade. Nachdenklich lässt sich Bullimilla die zweite Hälfte ihres Biers in den Rachen rinnen und greift sich ein neues aus dem Kasten.
    »Es klingt ausgesprochen vernünftig, dass du adlig sein sollst, Kalleken«, sagt sie. »Mit dieser feinen alten Familie. Vier Generationen als Lokusreiniger in Finø-Stadt. Und davor verliert sich das Geschlecht im Nebulösen, als Schafshirten und Halbaffen.«
    An und für sich klingt in der Stimme der Frau Liebe mit. Aber auch Müdigkeit. Plötzlich geht mir durch den Kopf, dass vielleicht auch sie das Haus mit einem Elefantenhüter teilt.
    »Heute Abend«, sagt sie halb zu sich selbst, »habe ich mehr Verrückte gesehen als in all den Jahren, in denen ich die Kantine im Rathaus Kolding leitete. Und der Abend hat gerade erst angefangen.«
    Tilte wählt wie schon so oft den direkten Weg.
    »Frau Madsen«, sagt sie, »was würden Sie sagen, wenn sich herausstellte, dass Sie wirklich Gräfin sind?«
    »Ich würde Geld dafür bezahlen, davon verschont zu bleiben«, sagt Bullimilla. »Weil ich Angst hätte, das würde noch mehr Dinner für Spinner wie dies hier mit sich bringen.«
    Kalle Kloak hat uns eine Diskette und ein in goldenes Leder eingebundenes Buch

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