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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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drei mal über deine Schulkenntnisse sprechen können.«
    Birger Farmand ist stellvertretender Chef der Schule in Finø, Alexander hat ihn vom Festland mitgebracht, und angeblich hat er eine vielversprechende Karriere beim Militär sausen lassen, um in der Städtischen Schule Finø aufzuräumen. Ihm zu begegnen ist nie angenehm, aber diesmal und in Begleitung von Alexander Finkeblod ähnelt es echt einer Talfahrt.
    In diesem Augenblick steigt etwas in mir auf. Meiner Meinung nach liegt das an meinem spirituellen Training, denn zu der Zeit hatte Tilte längst die Tür entdeckt, und wir hatten mit dem, wie es in der Mystik heißt, tieferen Prozess angefangen. Jedenfalls spüre ich, wie ich mich selber zu meinen vollen ein Meter fünfundfünfzig aufrichte und direkt in Finkeblods Augen sehe, die in diesem Moment den Kanonenmündungen der Fregatte Jylland im Hafen von Ebeltoft gleichen, wohin unsere Schule an jedem ersten Sonntag im September ihren Jahresausflug unternimmt.
    »Immer und zu jeder Zeit«, höre ich mich sagen, »würde ich alles Schulwissen dieser Welt für einen Schimmer von Connys Nacken eintauschen!«
    Es folgt zunächst für eine unbestimmte Weile jene oben schon erwähnte Grabesstille.
    Daraufhin trägt mich Alexander Finkeblod aus der Klasse und bestätigt dabei, dass er über sehr viel mehr rohe Muskelmasse verfügt, als sein schlankes und gepflegtes Äußeres vermuten lässt, und auf dem Weg zu Birger Farmands Büro tröste ich mich mit einem hauchzarten Stolz darauf, dass sie offenbar meinen, bei meiner Hinrichtung müssten sie zu zweit sein.
    Aber dann hält Finkeblod inne, und zwar weil Tilte ihm den Weg versperrt.
    »Alexander«, sagt sie, »ich möchte mit Ihnen gern ein paar Worte unter vier Augen wechseln.«
    Zum jetzigen Zeitpunkt ist es für dich genauso selbstverständlich wie für mich, dass Tilte einen Güterzug in voller Fahrt aufhalten kann, also natürlich bleibt Finkeblod stehen, als hätte ihn der Todesstrahl eines Aliens erstarren lassen, dann lässt er mich los und folgt Tilte mit leerem, glasigem Blick in die Lehrmittelsammlung.
    Tilte schließt die Tür hinter sich, drinnen wechseln sie zwei, drei Sätze, die durch ihre Diskretion und Schweigepflicht für alle Zeit versiegelt gewesen wären, wenn ich mich nicht zufällig auf Höhe des Schlüssellochs an die geschlossene Tür gelehnt und daher widerstrebend ihr Gespräch belauscht hätte.
    »Alexander«, sagt Tilte, »ich weiß nicht, ob Sie sich darüber im Klaren sind, dass mein jüngerer Bruder Peter einen leichten Hirnschaden hat, er hat Wasser im Kopf, was auf einen Geburtsfehler zurückgeht.«
    Finkeblod sagt, darüber sei er sich nicht im Klaren, und er sagt es mit der matten, etwas mechanischen Stimme, die viele Männer haben, wenn sie mit Tilte unter vier Augen sprechen.
    »Das ist der eine Grund«, sagt Tilte, »dass ich Ihnen vorschlage, ihn nicht nach unten ins Büro zu bringen. Der andere, wichtigere, ist, dass sie dadurch einen völlig aus der Luft gegriffenen Verdacht auf ihren Unterricht werfen, der doch an dieser Schule dafür bekannt ist, die Schüler geradezu in seinen Bann zu schlagen.«
    Finkeblod versucht zu kontern, indem er etwas davon stammelt, ich sei eine immerwährende Pest für das gute Lernumfeld. Aber Tilte wehrt den Angriff ab, noch ehe er den Mittelkreis erreicht.
    »Peter ist in Behandlung«, sagt sie, »ihm wird ein Hahn einoperiert, damit wir zu Hause das Wasser abzapfen können, jeden Morgen vor der Schule.«
    Das lässt Finkeblod verstummen, und ich schaffe es gerade noch, von der Tür wegzukommen, ehe sie aufgeht, und er schaut mich mit einer Art Milde an, so dass ich mir ausrechnen kann, dass es eine tiefe Begegnung war, obwohl er keine Tour in Tiltes berühmtem Sarg gemacht hat,und danach gehen wir zur Klasse zurück, wo mich die Leute wie einen Zombie anstarren, der sich zwar bewegt, von dem man aber nicht glauben kann, dass er wirklich am Leben ist.
    Gegen Ende der Stunde erhebe ich meinen Blick vom Boden, ich brauche einen Kran dazu, und wage es, zu Conny hinüberzuschauen. Über ihrem Nacken ruht ein Schimmer Nachdenklichkeit.
    Am nächsten Nachmittag schließt Sonja zu mir auf und fragt in Connys Namen, ob ich mit ihr gehen wolle.
     
    Das muss man wissen, um zu verstehen, was nun im Salon der Weißen Dame geschieht, nun sollte klar sein, wo Alexander die Idee mit dem Wasserkopf herhat, dass es zwar eine heldenhafte Rettungstat von Tiltes Seite war, gleichzeitig aber auch ein

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