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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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Vorstellung davon, was in ihm vorgehen muss.
    Als wir den Rollstuhl in den Korridor zwängen, höre ich als letztes ein Flüstern von Katinka.
    »Wir könnten uns auch um einen völlig anderen Posten bewerben, Lars. Im Gartenbau zum Beispiel. Wo das Gemüse nicht auf zwei Beinen geht und unverständliches Zeug redet wie der Mensch mit der verkrüppelten Gitarre. Sondern still und leise auf seinen Wurzeln steht.«
    Die Antwort höre ich nicht mehr, wir sind im Korridor.

 
    Eine der Fragen, bei denen Tilte und ich den Weltreligionen sagen mussten, dass wir uns da sehr unsicher sind, ist die Frage, wieweit das Dasein gerecht ist.
    Als wir nämlich im vollen Galopp zu Rickardts Kabine zurücksausen und bei ihm um die Ecke biegen, geht langsam seine Tür auf, und heraus kommen der Lama Svend-Helge, Gitte Grisanthemum und Sindbad al-Blablab.
    Es muss natürlich jeden freuen, Gitte, Sindbad und Svend-Helge eng umschlungen als Busenfreunde durchs Leben gehen zu sehen, es deutet darauf hin, dass die gute Stimmung und die Verbindung, die Tilte auf der Autofahrt zwischen ihnen schuf, Bestand hat und es Grund zu hoffen gibt, dass auch das persönliche Wohlwollen hält, das wir aufgebaut haben. Zweifelhaft ist allerdings, was aus diesem Wohlwollen wird, wenn sie uns gleich über den Weg laufen und wir als Grabräuber und Leichenschänder dastehen.
    Graf Rickardt ist steif vor Schreck, und dass Tilte ihre Begegnung eben mit Jakob Bordurio noch nicht verkraftet hat, ist überdeutlich, das heißt, die Verantwortung liegt ganz bei mir, und genau an diesem Punkt zweifelt man an der kosmischen Gerechtigkeit, denn kaum sind wir in ruhige See gekommen, fängt es schon wieder an zu stürmen.
    Ein Geheimnis des Flügelstürmers besteht darin, dass man sich zuweilen voll an der Grenze zum Abseits befinden kann wie eine Katze in der Sonne, dann aber durcheinen tödlichen Pass lossprintet, ehe der Ball den Rasen verlässt. Genau das tue ich jetzt. Bevor Svend-Helge und Gitte und Sindbad die Tür hinter sich geschlossen und uns entdeckt haben, habe ich Tilte und Rickardt mit Vibe im Rollstuhl wieder hinter die Ecke gezerrt, die nächstbeste Tür aufgerissen, uns allesamt hineingehievt und die Tür wieder hinter uns zugezogen.
    Wenn man von so schicksalsschwangeren Begebenheiten wie diesen erzählt, ist es mit am allerwichtigsten, dass man nicht in den Verdacht gerät, irgendwie unterhalten zu wollen, weshalb ich auch jede Gelegenheit genutzt habe, Tiltes und meine Studien der Quellenschriften der höheren Mystik einzuflechten. Und jetzt kommt ganz von selbst wieder eine solche Gelegenheit. Denn der Raum, in dem wir stehen, ist stockdunkel, und zunächst kann ich den Schalter nicht finden. Das erinnert mich unvermeidlich an eine Mehrzahl spiritueller Schwergewichte, die nach der Erfindung des elektrischen Lichtes gelebt und gesagt haben, wenn man wirklich aus dem Gefängnis entkommt, ist dies ein Gefühl, als hätte man einen festen Lichtschalter installiert bekommen. Vorher tappte man blind umher, nun aber kann man, egal wann, auf den Schalter drücken, und dann ist Party.
    Ich bin ganz offen und ehrlich: Ganz so weit sind Tilte und ich noch nicht. Aber wir haben das Gefühl, dass wir auf einem guten Weg sind, was nun bestätigt wird, denn ich finde den Schalter und mache Licht, und daraufhin sieht alles auf vielerlei Weise heller aus.
    Wir stehen in der Frauenklinik, die wie schon erwähnt zum Harem des ehemaligen Besitzers der Weißen Dame gehörte. Vor uns stehen zwei Pritschen, auf denen man beim Arzt liegt, es gibt Stahltische mit Spülbecken, an der Wandweiße Fliesen, an der Decke eine Operationslampe, in Glasschränken hängen blanke Instrumente, befestigt mit schwarzen Gummibändern, damit sie dem Seegang standhalten, und auf einem Bügel hängt ein weißer Kittel.
    Mit dem Grafen und Tilte ist immer noch nicht zu rechnen, und ich höre, wie sich draußen Schritte nähern. Ein Mensch, der sich der himmlischen Gerechtigkeit sicherer ist, wäre vielleicht stehen geblieben und hätte die Atmosphäre genossen, aber ich nicht. Ich hole den weißen Arztkittel vom Bügel, Gott sei Dank ist er einer von denen, die man im Rücken zumachen kann, ich lege ihn Vibe um, werfe ihren Hut in einen Treteimer, stopfe ihr Haar unter eine kleine weiße Haube, die auch auf dem Bügel hing, auf einem Tisch steht ein Päckchen mit Atemschutz, wie ihn die Chirurgen tragen, so einen befestige ich über Vibes Mund, und das Tüpfelchen auf dem i ist das

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