Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan
Kamelen zu tun. Es sind riesige Solifugae, die zur Ordnung der Spinnentiere gehören. Zwar sind sie nicht besonders giftig, aber sie verwenden einen Verdauungssaft, mit dem sie das Fleisch ihrer Opfer in Suppe verwandeln, sodass sie diese leicht aufsaugen können. Außerdem sind sie mit ihren
acht
Beinen sehr, sehr schnell. Kamelspinnen nennt man sie deshalb, weil manche Leute glauben, sie würden die Bäuche schlafender Kamele anknabbern und mit ihrem betäubenden Gift dafür sorgen, dass diese es nicht spüren.
Hätte Groanin etwas von der Kamelspinne gewusst … Aber gut, vielleicht war es ein Glück, dass er tief und fest schlief.
Vorerst jedenfalls.
»Suspicious Minds«
Philippa murmelte ihr Fokuswort und war im Nu von weißem Rauch umhüllt. Dann schwebte sie zur Decke der Bibliothek und aus dem Hals der alten Lampe. Sobald sie draußen war, klaubte sie hastig ihre Atome wieder zusammen, was für einen Dschinn immer ein etwas beängstigender Moment war, vor allem für einen jungen und unerfahrenen Dschinn wie Philippa. Sie hatte dabei jedes Mal das Gefühl, als sei bei einer kostbaren Kette der Faden gerissen und sie müsse sich krampfhaft bemühen, die vielen wertvollen Perlen wieder aufzusammeln, die über den Boden kullern, immer in Sorge, dass sie eine übersehen könnte. Durch ein fehlendes Bein? Ein Ohr an der falschen Stelle? Oder lückenhafte Zähne vielleicht?
Schließlich hörte sie sich selbst laut und euphorisch Luft holen. Sie schlug die Augen auf und registrierte mit großer Erleichterung, dass sie wieder vollkommen intakt zu sein schien.
»Tut das weh?«, fragte Axel, als er ihr Moby zurückgab.
Philippa drückte die Ente an sich. »Nein«, sagte sie.
»Es sieht aber so aus«, stellte der Professor fest.
»Eine Transsubstantiation?« Philippa schüttelte den Kopf. »Nein, wirklich nicht. Es fühlt sich nur immer ein bisschen komisch an, wieder eine irdische Gestalt zu haben. Eine menschliche, meine ich. In einem menschlichen Körper zu stecken, bedeutet …nun ja, eine gewisse Einschränkung. Geist oder Rauch zu sein, fühlt sich für uns natürlicher an. Es ist ein Zustand mit wesentlich mehr Tiefgang. Außerhalb des eigenen Körpers entwickelt man ein besseres Verständnis davon, wer und was man wirklich ist, verstehen Sie?«
»Nicht ganz«, gab der Professor zu.
»Nein, das können Sie wohl nicht. Tut mir leid.«
»Und im Innern einer Lampe oder einer Flasche?«, ließ der Professor nicht locker. »Wie fühlt sich das an? Ziemlich eng, kann ich mir vorstellen. Vielleicht so, als würde man in einen Kofferraum gesperrt?«
Philippa schüttelte den Kopf. Einen Moment lang war sie zu abgelenkt von dem, was sie in der Bibliothek erfahren hatte, um ihm zu antworten, doch dann sagte sie: »Nein, überhaupt nicht. Das Innere einer Dschinnlampe oder -flasche existiert außerhalb der Zeit, also gibt es auch keinen normalen dreidimensionalen Raum. Deshalb kann man sich darin unmöglich vorstellen, im Innern irgendeines Gegenstands zu sein. Es sei denn, man entschließt sich, das Innere einer Lampe aussehen zu lassen wie das Innere eines Hauses. Oder, im Fall dieser Lampe hier, wie eine riesige Bibliothek.«
»Verstehe«, sagte der Professor, der insgeheim überhaupt nichts verstand.
»Kannst du auch in eine andere Person einfahren?«, fragte Axel.
»Ja«, sagte Philippa. »Aber nur mit ihrer Erlaubnis.«
Das stimmte natürlich nicht, aber sie wollte den hübschen Isländer lieber nicht erschrecken, dafür hatte sie ihn viel zu gern.
»Wenn du in meinem Innern wärst«, fuhr Axel fort, »könntest du also meine Gedanken lesen.«
»Ja, vermutlich.«
Nimrod lächelte Philippa an. »Hast du die Bücher gefunden, nach denen du gesucht hast?«, fragte er sie.
»Dumme Frage«, erwiderte Philippa. »Ja, natürlich.«
Um den Schein zu wahren und der Neugier ihres Onkels zu entgehen, zeigte sie ihm das Buch, das sie mitgebracht hatte.
»Die Ballade vom alten Seemann«
, sagte sie, überrascht, dass ihr beim Verlassen der Bibliothek ausgerechnet dieses Buch in die Hände gefallen war.
»Es freut mich, dass du Coleridge liest«, sagte ihr Onkel.
»Warum war das eine dumme Frage«, hakte Professor Stürlüson nach, »als dein Onkel wissen wollte, ob du gefunden hast, wonach du gesucht hast? Ist die Bibliothek denn so gut ausgestattet?«
Nicht zuletzt, um ihren Onkel davon abzuhalten, sich weiter mit ihr über ihre Lektüre zu unterhalten, erklärte Philippa dem Professor, dass es sich
Weitere Kostenlose Bücher