Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
Vodyannoy. »Aber Sie wissen ja, dort, wo wir hinreisen, können solche Dinge manchmal ganz praktisch sein. Vielleicht erweist es sich als nützliche Opfergabe, falls wir irgendwie in Schwierigkeiten geraten. In diesem Fall werde ich es natürlich durch eine naturgetreue Kopie ersetzen.«
»Seien Sie still, mein Freund, seien Sie still. Kein Wort mehr darüber, ja? Bitte, hier entlang. Ich denke, er ist für niemanden ein Verlust.«
Pater Polzl führte seine sechs Gäste in eine kleine Privatkapelle, in der auf einem kleinen Eichentisch eine polierteHolzkiste von der Größe eines Fußballs stand. Er trat vor das Tischchen, bekreuzigte sich andächtig und öffnete die Kiste. Drinnen lag der vergilbte Schädel eines Menschen.
Zadie schnappte nach Luft. John pfiff. Der Pater lächelte.
»Pfeif nur, junger Mann, pfeif«, sagte der Pater nachsichtig. »Du hast allen Grund dazu. Das hier ist der Kopf von niemand anderem als dem ersten Generalgouverneur von Peru, Don Francisco Pizarro Demarkes persönlich. Wir haben ihn erst 1977 in der Krypta direkt unter dem Hauptaltar versteckt gefunden.«
»Uh«, sagte Philippa und wandte sich ab.
»Wow«, sagte John und starrte in die Kiste. »Hat den jemand abgeschnitten?«
»Normalerweise die beste Methode, um einen Kopf abzutrennen «, stellte Groanin fest. »Wo ist denn der Rest von ihm zu Hause?«
»In einer anderen Kiste«, erwiderte der Pater. »Auch hier in der Kathedrale.«
»Wer dumm fragt …«, murmelte der englische Butler.
»Warum bewahren Sie sie getrennt auf?«, fragte Zadie.
»Weil wir sie so gefunden haben«, erklärte Pater Polzl. »Wie ihr seht, befindet sich oben auf der Kiste eine Inschrift, die bestätigt, dass es Pizarros Schädel ist. Aber wir haben es uns zur Sicherheit durch einen forensischen Experten bestätigen lassen. Nur um ganz sicherzugehen.«
»Bei so was will man besser nichts verkehrt machen«, murmelte Groanin, dem die Sache allmählich Spaß zu machen begann.
Nimrod schien sich mehr für die Kiste als für den Kopf zu interessieren. »Das ist ja seltsam«, murmelte er. »Es sieht aus, als wäre sie aus Lupunaholz angefertigt.«
»Seht mal, da ist so eine Art Loch«, sagte John, der sich nur für den Schädel interessierte. »Woher stammt das, Pater Polzl? Von einer Kugel oder einem Schwert?«
»Es heißt, dass Pizarro, der gerade dabei war, einen armen Mann mit seinem Schwert zu durchbohren, von einem Wassereimer am Kopf getroffen wurde und zu Boden fiel.«
»Von Wasserköpfen hab ich schon gehört«, sagte Groanin. »Aber dass das tödlich ausgehen kann, wusste ich nicht.«
Wieder bekreuzigte sich der Pater. »Während Pizarro am Boden lag, stachen um die zwanzig seiner ehemaligen Anhänger auf ihn ein. Allesamt Christen und Spanier, wie ich leider sagen muss, auch wenn ihn die armen Inka, die er mit solch mutwilliger Grausamkeit beraubt und gequält hat, natürlich nicht weniger hassten. Vielleicht sogar mehr als alle anderen.«
»Worum ging es den Spaniern denn bei dem Kampf?«, fragte John.
»Um das Gleiche, um das es immer geht: Macht, Geld, Rache. Pizarro starb durch das, was auch sein Leben in diesem geschundenen Land beherrscht hat: das Schwert.«
Der Pater klappte die Kiste zu und übergab sie Mr Vodyannoy, der sie wohl schwerer fand als erwartet, sodass er die altertümliche Kiste dem kräftigeren Mr Groanin weiterreichte.
»Genau das, was ich mir immer gewünscht habe«, murmelte Groanin. »Wäre wirklich nicht nötig gewesen. Ist auch ein Glückwunschkärtchen dabei?«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Philippa. »Warum um alles in der Welt müssen wir Pizarros Kopf mitnehmen?«
»Hast du denn noch nie gehört, dass zwei Köpfe besser sind als einer, Miss Philippa?«, sagte Groanin. »Selbst wenn einer davon ein Loch hat.«
»Halten Sie den Mund, Groanin«, sagte Nimrod.
»Jawohl, Sir.«
»Am besten nehmen Sie den Schädel und machen sich auf die Socken, zurück ins Hotel.«
»Jawohl, Sir.« Mit der bleibeschlagenen Holzkiste und dem Konquistadorenschädel in den Händen entschwand er aus der kleinen Kapelle.
»Mein Butler«, sagte Nimrod zu Pater Polzl, als sei das Erklärung genug.
Pater Polzl lächelte. »Er ist schon eine Marke, nicht?«
»Ja, aber nicht immer eine Bestmarke«, erwiderte Nimrod. Sie blieben und unterhielten sich noch eine Viertelstunde mit dem Pater, bis es für ihn Zeit wurde, die Messe abzuhalten. Die Kathedrale füllte sich bereits mit Menschen, für die Pizarro nur ein
Weitere Kostenlose Bücher