Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka

Kopfes. Die Schlange zischte wie eine Dampfmaschine, sie wand und drehte sich in dem Versuch, die beiden Jaguare in ihre tödliche Umarmung zu ziehen. Doch Nimrod und John gelang es jedes Mal, sich ihrem Leib zu entwinden, der sie zu zerquetschen drohte. Endlich fand Nimrod am Hinterkopf und zwischen den gelben Knopfaugen einen festen Halt und biss mit voller Kraft zu.
    Die Anakonda blähte die großen Nasenlöcher, als sie die Klugheit des doppelten Angriffs erkannte, doch sie war noch lange nicht am Ende. Wie ein Kran erhob sie sich unvermittelt acht, neun Meter in die Luft und nahm die beiden Jaguare einfach mit sich. Sie schüttelte sich mit aller Macht, dass die beiden Katzen hin- und herwehten wie zwei Flaggen auf einem Fahnenmast, und ließ sich dann zu Boden fallen, als hoffe sie, ihre beiden Angreifer im Sturz loszuwerden. Der Aufprall raubte John den Atem, doch er ließ nicht los. Solange noch ein einziger Atemzug in dem riesigen Schlangenkörper war, musste er weiter zubeißen oder bei dem Versuch sterben. Sein Maul war voller Blut, aber er hatte keine Ahnung, ob es sein eigenes war oder das der Schlange.
    Nimrod grub der Kreatur die Reißzähne in den Kopf undbegriff, dass er und John vermutlich sterben würden, wenn einer dieser Zähne abbrach, bevor er den Schädel durchdrungen hatte. Er schloss die Augen und konzentrierte seine gesamte Kraft darauf, die Kiefermuskeln anzuspannen.
    Die Schlange änderte ihre Taktik und schoss mit voller Kraft ins Dickicht, in der Hoffnung, die beiden Katzen, die ihr an Kopf und Kehle hingen, auf diese Weise loszuwerden. John hätte fast locker gelassen, als er gegen einen Baum knallte und anschließend rückwärts durch ein Gebüsch gezerrt wurde. Nimrod fauchte vor Schmerz, als das Gewicht der rasch dahingleitenden Schlange ihn gegen einen spitzen Felsen und einen ebenso scharf gezackten Baumstamm drückte. Aber irgendwie schafften er und John es, nicht loszulassen.
    Etwas Ähnliches hatte der Regenwald nur selten gehört oder gesehen: das Knurren der beiden Jaguare, das verzweifelte Zischen der Schlange, das Krachen im Dickicht und die von ihren nächtlichen Ruheplätzen vertriebenen Vögel und Fledermäuse – es war, als würde ein wütender Elefantenbulle Amok laufen.
    Die Minuten wurden zur Stunde.
    Johns Kiefermuskeln waren zum Zerreißen gespannt. Der Schmerz schoss ihm durch den ganzen Kopf, in den Nacken hinab, bis in die Schultermuskeln. Seine Krallen fühlten sich an, als würden sie aus der Verankerung gerissen. Als er spürte, dass die Atmung der Schlange sich veränderte, biss er noch ein klein wenig fester zu und sah, wie sich im gleichen Augenblick die schwarzen Nasenlöcher weiteten, als erreiche der Sauerstoffmangel in dieser Ölpipeline von einem Schlangenkörper nun ein kritisches Stadium.
    Nimrod sah es ebenfalls, holte aus seiner Brustmuskulatur noch ein weiteres winziges Quäntchen Kraft heraus und unternahm einen allerletzten Versuch, die Schädeldecke zu durchbohren. Eine Sekunde später spürte er etwas zerbrechen, wie eins von Groanins extrastarken Pfefferminzbonbons, und etwas Heißes, Gallertartiges lief ihm ins Maul.
    Endlose schreckliche Minuten lang zuckte die Anakonda, dann lag sie endlich still.
    »Ist sie tot?«
    »Das hoffe ich sehr«, antwortete Nimrod.
    John öffnete das Maul und rollte sich fort. Zu seiner Überraschung ging die Sonne auf. Bald würde es hell sein. Doch es regnete immer noch. Er versuchte aufzustehen und merkte, wie ihm die Beine zitterten. Erschöpft sank er wieder auf den Bauch und atmete tief durch. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Ja.« Nimrods Stimme war kaum mehr als ein Wispern. »Ich glaube schon. Wie geht es dir?«
    »Ich bin unglaublich müde«, gestand John.
    »Ich auch.« Nimrod humpelte dorthin, wo John sich gerade ausgestreckt hatte, und begann einen der größeren Kratzer in der Flanke seines Neffen abzulecken.
    John betrachtete den gewaltigen Körper der Anakonda und fühlte fast so etwas wie Scham in sich aufsteigen. »Was für ein prächtiges Tier«, stellte er fest. »Sie tut mir fast leid.«
    »Mach dir keine Vorwürfe«, riet Nimrod ihm. »Gib demjenigen die Schuld, der sie hier platziert hat, um einen von uns zu töten. Und glaub mir, das hätte sie getan, wenn sie die Chance dazu gehabt hätte.«
    »Ich frage mich, wie sie wohl schmeckt.«
    »Das sagt der Jaguar in dir, John.« Nimrod seufzte. »Willst du es wirklich ausprobieren?«
    »Nicht unbedingt. Ich bin viel zu müde, um den Mund