Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
nicht«, beharrte Zadie. »Es geschieht denXuanaci ganz recht, wenn ihnen die Spanier richtig eins auf die Mütze geben.«
»So, wie die aussehen«, stellte Groanin fest, »hat die Bande ein bisschen mehr vor, als ihnen eins auf die Mütze zu geben. Sie meinen es ernst. Richtig ernst. Seht nur.«
»Sie übertreiben«, sagte Zadie. »Wie üblich.«
Die gesamte Armee, auch Pizarro, kniete am Boden und empfing den Segen der Priester, damit das, was sie zu tun im Begriff waren, in Gottes Augen Wohlgefallen finden möge.
»Das machen sie immer, bevor eine Horde Leute loszieht, um eine andere Horde zu massakrieren«, fügte Groanin hinzu. »Sie reden sich ein, dass es der Wille Gottes ist oder ähnlich dummes Zeug. Wenn ihr mich fragt, will Gott mit Leuten, die herumziehen und andere Leute in seinem guten Namen umbringen, nichts zu tun haben.«
»Mr Groanin hat recht, Zadie«, sagte Philippa. »Wir müssen etwas unternehmen.«
»Was denn zum Beispiel?«, fragte Zadie.
»Du hast die Bescherung angerichtet«, sagte Philippa. »Also solltest du sie auch in Ordnung bringen.«
Zadie blieb stur. »Macht, was ihr wollt«, sagte sie kopfschüttelnd. »Ich finde, ihr macht zu viel Tamtam um die Sache. Ich habe mir bestimmt kein Massaker gewünscht. Nur jemanden, der diesen Kopfjägern eine Lektion erteilt.«
Philippa schüttelte den Kopf. Ihre Geduld mit dem Dschinnmädchen war restlos am Ende und sie bedauerte es zutiefst, sie zu dieser Expedition eingeladen zu haben. John hatte recht gehabt, das war ihr jetzt klar. Das nächste Mal – vorausgesetzt, esgab ein nächstes Mal – würde sie auf ihren Zwillingsbruder hören.
»Na gut«, sagte sie. »Dann rede ich selbst mit ihm. Sobald sie fertig sind mit Beten.«
Philippa sprach kein Spanisch und bezweifelte, dass Pizarro vor seinem Tod Englisch beherrscht hatte. Doch sie hatte erst kürzlich mit einer Reinkarnation des italienischen Entdeckers Marco Polo Bekanntschaft gemacht und war sich sicher, dass dies kein Problem sein würde. »Der Tod ist der wichtigste Passierschein, den man erlangen kann«, hatte Marco Polo zu ihr gesagt. »Wenn man stirbt, werden alle Rätsel gelöst. Auch das Rätsel darum, wie die englische Sprache funktioniert.«
Der alte Konquistador verbeugte sich höflich, als Philippa vor ihn hintrat.
»Señorita«,
sagte er. »Ich fühle mich sehr geehrt.« Er sprach mit leiser, aber fester Stimme, wie jemand, der es gewohnt war, dass man ihm gehorchte, und mit einem kleinen Lispeln.
Philippa lächelte und verbeugte sich ebenfalls. »Don Francisco «, sagte sie, sehr auf gutes Benehmen bedacht, denn ein Don war eine Art spanischer Ritter. »Sie tragen einen berühmten Namen. Vielleicht den bekanntesten in ganz Peru. Und natürlich ist er, äh … auch historisch gesehen ein sehr berühmter Name.«
Pizarro verbeugte sich abermals.
»Hören Sie«, sagte Philippa, »ich fürchte, hier liegt ein Irrtum vor. Natürlich ist das alles unsere Schuld und ich bitte Sie dafür aufrichtig um Entschuldigung, aber sehen Sie, es ist so: Sie müssen den Xuanaci keine Lektion mehr erteilen. Wir würdenes sogar begrüßen, wenn Sie wieder dahin zurückgingen, wo Sie hergekommen sind. Und die Indios ganz und gar in Ruhe ließen.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Pizarro. »Es wurde doch ein Wunsch geäußert, nicht? Wir wären sicherlich nicht
uneingeladen
gekommen.«
»Ja, das stimmt«, gab Philippa zu. »Aber bei diesem Wunsch wurden die Konsequenzen nicht richtig bedacht. Auch Dschinn machen ab und zu Fehler.«
»Vergebt mir, aber ein Wunsch ist ein Wunsch: Sich etwas zu wünschen ist, als würde man edlen Wein auf die Erde schütten. Hat man es einmal getan, ist es schwierig, ihn wieder in die Flasche zurückzugießen. Ich würde Euch wirklich gern behilflich sein,
Señorita
, aber zu meinem Bedauern kann ich es nicht.« Er zuckte die Achseln. »Es sei denn, Ihr
wünscht
es so. Das wäre allerdings etwas anderes. Denn Ihr seid ein Dschinn.«
»Aber ich wünsche es doch«, beteuerte Philippa. »Das tun wir alle.«
Pizarro sah sich kurz um und zuckte dann wieder mit den Achseln. »Und doch sind meine Männer und ich noch hier, nicht wahr? Vergebt mir, o großer Dschinn, aber wenn Ihr es wirklich wünschtet, meine ich, dass wir nicht länger hier wären. Eure Macht würde dafür sorgen,
no
?«
»Ja«, sagte Philippa. »Ein gutes Argument. Ich will es Ihnen erklären: Dschinn sind aus Feuer gemacht, und da es hier unten ziemlich kalt ist, konnten wir
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