Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
Iblis würde hochzufrieden sein, wenn er ihm die Thermosflasche mit den Zwillingen übergab. »Drei Wünsche, die jedes Maß an menschlicher Habsucht übersteigen.« Als Erstes würde er sich eine Milliarde Dollar wünschen. Vielleicht auch zwei Milliarden. Zwei waren besser als eine.
Oleaginus war gerade in Las Vegas eingetroffen, nach einem Umweg über New York. Dort hatte er die Zwillinge überprüft, die Iblis’ Leute in ihrem Zuhause in der East 77th Street beschatteten. Wie Oleaginus vermutet hatte, waren es nicht die echten Zwillinge, sondern ein Paar Woanders. Die Existenz eines Woanders aufzudecken war relativ einfach, wenn man bereit war, rücksichtslos und entschlossen genug zu handeln. Woanders hatten keine Seele, was bedeutete, dass sie auch nicht getötet werden konnten, daher hatte sich Oleaginus – als Beweis dafür, dass er Recht hatte und Iblis’ Leute in New Yorkfalschliegen mussten – für die direkteste Lösung entschieden: ein Taxi zu stehlen und die beiden falschen Kinder zu überfahren.
Der Unfall mit anschließender Fahrerflucht hatte an Echtheit nichts zu wünschen übriggelassen. Eine Zeugin des Unfalls, der sich auf der Madison Avenue abgespielt hatte, war in Ohnmacht gefallen. Und es gab sogar eine Beule in der vorderen Stoßstange des Taxis, wo der Wagen die falschen Zwillinge erfasst hatte. Doch noch während Oleaginus die erdbeermusartigen Überreste begutachtete, waren die beiden Woanders spurlos verschwunden; und als er wenige Minuten später vor dem Haus in der East 77th Street erschien, hatte es ihn kaum verwundert, die falschen Dschinnkinder hinter einem Fenster im zweiten Stock zu erblicken. Damit waren für ihn die letzten Zweifel beseitigt. Er hatte die echten Zwillinge in der Thermosflasche.
Oleaginus betrat das Croesus Hotel, ignorierte die Hundertschaften der Spieler, die in der Hoffnung auf einen Jackpot bereits die Münzautomaten belagerten, und begab sich geradewegs zum Aufzug. Während er zum Penthouse hinauffuhr, ging er im Geiste noch einmal die Geschichte durch, wie er John und Philippa in Indien erwischt und die Dschinnfessel eingesetzt hatte, mit der Iblis ihn ausgestattet hatte, um die beiden in den erstbesten Behälter zu sperren, den er in die Finger bekam.
In dem riesigen Penthouse hatte sich kaum etwas verändert. Der spektakuläre Blick über Las Vegas war immer noch der gleiche. Und Iblis steckte immer noch im gleichen schwarzen Seidenpyjama, den er getragen hatte, als Oleaginus ihn dasletzte Mal gesehen hatte. Allerdings waren seine Haare und Fingernägel länger geworden und die Ratten wirkten fetter und bösartiger und begannen angriffslustig zu pfeifen, als Oleaginus das Schlafzimmer seines Herrn betrat.
»So, so, so, so, so«, sagte Iblis. »Sieh mal einer an, was uns die Katze da ins Haus geschleppt hat. Wenn das nicht Oleaginus ist, der menschliche Parasit. Der Ausdruck in deiner fiesen Visage sagt mir, dass du dich entweder damit abgefunden hast, für alle Zeit ein hässlicher Wicht zu bleiben, oder du hast gute Neuigkeiten für mich. Hoffen wir für dich, dass es sich um Letzteres handelt.«
Oleaginus lächelte nervös und versuchte den Tumult in seinem Magen nicht zu beachten. Jedes Mal, wenn er in die Nähe von Iblis und seinen Spielgefährten kam, verspürte er den Drang, sich zu übergeben. Selbst wenn man seine Arbeit gut machte, konnte man nie wissen, wie Iblis reagierte. Der Dschinn war zu allem fähig. »Ich hab sie, Sir«, erklärte Oleaginus triumphierend. »Die Zwillinge.« Er reckte die Thermosflasche mit der Aufschrift DSCHINNZWILLINGE in die Luft wie eine heißbegehrte Trophäe. »Sie sind hier drin, Sir.«
»Oleaginus, das ist unmöglich«, sagte Iblis. »Die Zwillinge sind in New York und werden rund um die Uhr bewacht.«
»Nein, Sir. Das sind zwei Woanders. Ich habe sie extra mit einem gestohlenen Taxi über den Haufen gefahren, um mich zu vergewissern. Hab sie zerquetscht wie zwei Fliegen. Sie waren mausetot, alle beide.« Er zuckte mit den Achseln. »Aber kurz darauf waren sie wieder quicklebendig zu Hause und sind durch die Gegend gesprungen, als wäre nichts passiert. Ich hab es selbst gesehen.«
»Interessant.« Iblis wirkte immer noch sehr skeptisch. »Hast du die Dschinnfessel benutzt, wie ich es dir gesagt habe?«
»Ja, Sir«, log Oleaginus.
Iblis lächelte das schmale, grausame Lächeln, das Oleaginus fast ebenso zermürbend fand wie seinen finsteren Blick.
»Oleaginus«, sagte er. »Man könnte fast meinen,
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