Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
ich kenne jemanden, der das kann. Mr Rakshasas. Niemand weiß mehr darüber als er.«
»Vielleicht sollten wir es ihm schicken«, schlug Philippa vor. »Per Express.«
»Das ist nicht nötig«, sagte Mrs Gaunt. »Ich schicke es einfach mit der dschinternen Post an Nimrod.«
»Was ist denn das?«, fragte John.
»Schaut her.« Mrs Gaunt steckte sich das kleine Steinmedaillon in den Mund und schluckte es mit leichten Schwierigkeiten hinunter.
John und Philippa verschlug es für einen Moment die Sprache.
»In weniger als einer Stunde wird Nimrod es wieder aushusten«, erklärte Mrs Gaunt. »Das funktioniert natürlich nur unter Dschinn, die eng verwandt sind. Und erwachsen dazu. Aber man spart ordentlich Zeit und Porto. Ganz zu schweigen von dem überaus nützlichen appetithemmenden Effekt. Schließlich kann man in New York selbst als Dschinn nie dünn genug sein.«
Zähne und Klauen
Es war so lange her, seit Mrs Gaunt und ihr Bruder Nimrod das letzte Mal den dschinternen Postweg benutzt hatten, dass sie schlicht vergaß, sich an die übliche Vorgehensweise zu halten und den anderen mit einem Anruf zu warnen, dass etwas unterwegs war. Wäre das geschehen, hätte Nimrod darauf geachtet, sich beim Eintreffen des Gegenstands an einem diskreten Ort aufzuhalten, und auf diese Weise jegliche Peinlichkeit vermieden. Stattdessen befand er sich in der Praxis seines Zahnarztes in der Londoner Wimpole Street, um sich die Zähne reinigen und polieren zu lassen, und die Ankunft irgendwelcher dschinternen Post hätte zu keinem unpassenderen Augenblick erfolgen können.
Mandy Mandibular, die Zahnhygienikerin, war gerade dabei, die Ultraschall-Zahnsteinentfernung zu beenden, als sie unvermittelt zurückschreckte und sich den Mundschutz herunterriss, sodass ihr hübsches, aber schreckensbleiches Gesicht zum Vorschein kam.
Nimrod, dem vor Zahnärzten graute, seit man ihm vor vielen Jahrzehnten die Weisheitszähne gezogen hatte – die Wurzeln hatten damals so fest gesessen, dass Dr. Jorrid gezwungen gewesen war, die Dienste eines anderen Patientenaus dem Wartezimmer in Anspruch zu nehmen; ein Zirkus-Gewichtheber namens Belzoni hatte statt ihrer die Zange bedienen müssen –, beäugte Mandy Mandibular voller Sorge. »Was ist?«, fragte er. »Ein Abszess? Karies? Irgendetwas Schreckliches? Was?«
Mandy schluckte und deutete auf Nimrods Mund. »Es sieht so aus, als käme etwas Ihre Luftröhre herauf«, sagte sie. »Irgendein Gegenstand.«
»Ein Gegenstand?« Nimrod richtete sich im Behandlungsstuhl auf, riss das Lätzchen ab, das er trug, und begann entsetzlich und erstickungsartig zu husten. »Zum Korken noch mal! Sie haben Recht«, keuchte er zwischen gurgelnden Würgelauten. Inzwischen ahnte er, was vor sich ging und wie ein Gegenstand – was immer es sein mochte – dazu kam, ihm die Luftröhre zu blockieren. Einen kurzen Moment lang verwünschte er Layla dafür, ihm ohne Vorwarnung dschinterne Post geschickt zu haben. Gleichzeitig aber war er froh, dass ihre Beziehung sich so weit verbessert hatte, dass seine Schwester ihm auf diesem Wege wieder etwas zukommen ließ.
Nach einigen weiteren Sekunden hielt sich Nimrod die Hand vor den Mund, spuckte den Gegenstand hinein und betrachtete ihn aufmerksam.
»Was ist denn das, um Himmels willen?«, fragte Mandy Mandibular, die einen schrecklichen Moment lang befürchtet hatte, es könnte eine Art Alien oder Parasit sein, der sich in Nimrods Körper eingenistet hatte wie eines dieser unsäglichen Monster in Science-Fiction-Filmen.
»Es scheint mir eine Art Steinmedaillon zu sein.«
»Wirklich? Aber wie, um Himmels willen, ist es dorthin gekommen?«
Nimrod lächelte und versuchte sich eine Erklärung auszudenken, die vielleicht gerade noch im Bereich des Menschenmöglichen lag. »Ist wohl etwas, das ich als Kind unabsichtlich verschluckt habe. Es muss die ganze Zeit in mir dringesteckt haben.«
Mandy Mandibular machte ein skeptisches Gesicht.
»Wie?«, sagte Nimrod. »Haben Sie als Kind etwa nie einen Fremdkörper verschluckt, Miss Mandibular? Eine Münze oder vielleicht einen Knopf? Nein? Ich habe sogar einmal eine Uhr verschluckt. Von den verschiedenen Würfeln und der Rolle Film ganz zu schweigen. Tja, in dieser Beziehung hatte ich schon immer etwas von einem Pelikan. Aber, bei meiner Lampe, dieses kleine Medaillon hatte ich völlig vergessen.«
Nimrod gab sich keine Mühe, noch mehr Entschuldigungen vorzubringen. Es war offensichtlich, dass er die
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