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Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Titel: Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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Zagreus inzwischen von einem Rudel hungriger Wölfe mächtig in die Zange genommen. Jedes Mal, wenn es ihm gelang, einen der Wölfe mit einem gut gezielten Schneeball zu vertreiben, schlich ein anderer heran, um seinen Platz einzunehmen. Sie hatten den Bigfoot sauber eingekreist, jaulten, heulten und leckten sich hungrig die Lefzen. Es war offensichtlich, dass Zagreus die Verteidigung von Groanins Leichnam nicht mehr lange würde aufrechterhalten können.
    Was dem Butler allerdings noch auffiel, war die Tatsache, dass die Schicht aus Schnee und Eis, die seinen Körper bedeckte und ihn vor dem Zerfall bewahrte, dahinschmolz. Die frühmorgendliche Sonne schien hell und der Schnee des Spätfrühlings im Yellowstone-Park taute. Es wurde wärmer im Nationalpark, viel wärmer. Und für Groanin spitzten sich die Dinge bedrohlich zu.
    »Das hat mir gerade noch gefehlt«, grummelte er. »Ausgerechnet jetzt gibt die Tiefkühltruhe von Mutter Natur den Geist auf.«
    Wenn John und Rakshasas nicht bald zurückkamen, würde es zu spät sein, und der körperlose Schwebezustand zwischen Leben und Tod, in dem Groanin sich derzeit befand, würde eine schreckliche Dauerhaftigkeit annehmen.

Shamba-La

    Es schien ganz und gar ausgeschlossen, dass Menschen auf den grauen schroffen Abhängen des Kailash Kraters jemals etwas so Hohes und Unerreichbares hatten errichten können wie Shamba-La. Kein erkennbarer Weg führte zum Kloster hinauf und auch kein offensichtlicher Pfad von dort hinunter. Selbst ein Kondor würde sich zweimal überlegen, an einem solchen Ort zu landen, für den Fall, dass ihn beim Antritt des Rückflugs der Mut verließ. Nicht einmal der dicke Schnee, der den Krater bedeckte, schien sich auf dem schmalen Felsvorsprung, auf dem das Kloster stand, halten zu können. Shamba-La war gleichzeitig atemberaubend schön und vollkommen unwirklich – eine Ansammlung burgartiger weißer Mauern, die mehrere Stockwerke hoch waren, mit zahllosen goldenen Fenstern unter geschwungenen Dächern von zartrosa Farbe, als hätte ein wagemutiger Kletterer ein Bündel Felsanemonen und Bergprimeln gepflückt. Selbst ein Luxushotel auf halber Höhe der Eigernordwand oder oben auf dem Annapurna hätte nicht berückender aussehen können.
    Während sie durch dünne Wolken auf das höchste Dach niederschwebten – einen anderen Landeplatz gab es nicht   –, fragte sich My, ob ihr womöglich Sonne und Höhe zusetzten, so prachtvoll erschien ihr das alte tibetische Kloster.
    Silvio Prezzolini, der von dem majestätischen Bauwerk nichtweniger ergriffen war als sie, hatte auf seltsame Weise das Gefühl, an einen Ort zurückzukehren, an dem er schon einmal gewesen war, wenn auch in einem längst vergessenen Traum, und nach dem er sich immer zurückgesehnt hatte. Den Vatikan in Rom hatte er schon viele Male gesehen, aber das hier war weitaus beeindruckender. Im Vergleich zu diesem überirdischen Ort wirkte der Vatikan nichtssagend und ganz und gar von dieser Welt.
    Überzeugt davon, in eine Art Himmel einzutreten, schloss Mr   Swaraswati die Augen und vertiefte sich in eines seiner seltsamen gemurmelten Gebete.
    Rakshasas wedelte mit dem Schwanz und schnüffelte aufgeregt in der Luft, die nach Minze und Zucker roch. Es war mehr als siebzig Jahre her, seit er das Lamakloster zuletzt gesehen hatte, und er fragte sich, ob es noch Mönche gab, die ihn wiedererkennen würden. Er selbst hatte nur vage Erinnerungen an das Innere von Shamba-La. Brunnen fielen ihm ein, warme, geräumige Zimmer und leise Füße, die Marmorböden überquerten. Am deutlichsten jedoch erinnerte er sich an ein Mädchen.
    Den Zwillingen John und Philippa, die noch zu jung waren, um sich für beeindruckende Gebäude und Architektur zu begeistern, verschlug die schiere Schönheit von Shamba-La die Sprache. Selbst Nimrod, der daran gewöhnt war, alles aus der Vogelperspektive eines fliegenden Teppichs zu betrachten, fand den Ort beeindruckend.
    »Gerade habe ich gespürt, wie meine Dschinnkraft mich verlassen hat«, sagte Philippa.
    »Meine funktioniert nicht mehr, seit ich in diesem Krater war«, erklärte John.
    »Ich spüre, dass wir keine Dschinnkraft brauchen werden«, sagte Nimrod. »Nicht an diesem Ort.«
    Trommeln und eine gewaltige Basstrompete verkündeten ihre Ankunft; es klang wie das Nebelhorn eines himmlischen Fährbootes und war das Lauteste, was ein jeder von ihnen seit ihrer Ankunft in Tibet gehört hatte – lauter noch als die Explosion, die der Ankunft des Golems

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