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Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Titel: Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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brauchte mindestens zehn Minuten, bis er auf die Idee kam, dass der Teppich, auf dem er saß, schmaler war als zuvor. Als guter Butler hatte Groanin natürlich ein Maßband dabei. Er nahm all seinen Mut zusammen und hakte das Ende des Metallbandes auf der einen Seite des Teppichs ein und machte sich daran, seine Breite zu messen.
    »Teufel auch!«, rief er, als er die Zahl vom Maßband ablas, denn es gab keinen Zweifel, dass der Teppich, der beim Start noch drei Meter breit gewesen war, inzwischen nur noch knapp zweieinhalb Meter maß. Groanin war von dieser Entdeckung derartig schockiert, dass seine nervösen Finger den Rückholmechanismus des Maßbandes auslösten. Das Metallband schnellte so heftig zurück, dass er das Maßband auf den Teppich fallen ließ, wo es zweimal aufschlug und dann über den Rand in den Ozean stürzte. Das erschien Groanin wiederum als eine sehr anschauliche Demonstration dessen, was ihm selbst drohte. »Teufel auch!«, sagte er noch einmal.
    Er kroch zur einen Seite und fand dort alles in Ordnung. Dann kroch er auf die andere Seite, zu jener Kante, die er vor Kurzem selbst geschnitten hatte, und entdeckte auf der Stelle das Problem. In der hinteren Ecke des fliegenden Teppichs hatte ein Faden begonnen sich abzuwickeln und flatterte nun wie eine Angelschnur kilometerlang hinter dem Teppich her.
    »Teufel auch!«, schimpfte Groanin und kroch zu seinem Gepäck zurück, um eine Schere zu suchen. Dann krabbelte er wieder zum Faden und schnitt ihn so sauber wie möglich ab. ImGlauben, das Problem gelöst zu haben, kehrte er zu seinem Sitzplatz zurück und lehnte sich wieder an die Vorratskiste.
    Eine Zeit lang las er Zeitung   – Nimrod hatte die Vorratskiste vorsorglich mit einer Ausgabe des
Daily Telegraph
bestückt   –, was ihn ein wenig ablenkte. Überhaupt ist das der eigentliche Grund dafür, dass Leute Zeitung lesen: um ihre eigenen Probleme zu vergessen und es zu genießen, von denen anderer Leute zu erfahren. Es vergingen weitere zwanzig Minuten, ehe Groanin den Kopf hob und abermals von dem schrecklichen Gefühl ergriffen wurde, dass der Teppich schmaler geworden war. Als er in die Ecke zurückkroch, in der er den Faden abgeschnitten hatte, sah er mit Entsetzen einen weiteren losen Faden Hunderte Meter durch die Luft flattern.
    »Teufel auch!«, sagte Groanin wieder und schnippelte den Faden ein zweites Mal ab. Diesmal blieb er an Ort und Stelle, um sich zu vergewissern, dass sein Scherenschnitt auch Wirkung zeigte. Nach einigen bangen Minuten wollte er sich gerade entspannen, als sich mehrere Hundert Meter Faden auf einen Schlag ablösten. Groanin heulte auf und schnippelte abermals drauflos, doch das Gleiche geschah immer und immer wieder. Es dauerte nicht lange, und Groanin hatte mit seiner Schere so viel zu tun, dass er sich vorkam wie ein Scherendämon in einem Herrenfriseursalon.
    Inzwischen war Groanin voller Entsetzen klar geworden, dass er es versäumt hatte, nach dem Zerteilen des Teppichs auf dem Berggipfel in Marokko die Kante zu befestigen.
    Das war des Rätsels Lösung: Er hätte einen der Fäden verknoten müssen, auch wenn er schlecht wissen konnte, welchen. Es schien Tausende Fäden zu geben, obwohl es sich in Wirklichkeit nur um einen einzigen handelte.
    Die losen Fäden flatterten inzwischen überall am ausgefransten Ende des fliegenden Teppichs, der zuvor noch zweieinhalb Meter, nun aber nur noch etwa zwei Meter zwanzig breit war. Sie flatterten irgendwo über den Vereinigten Staaten, und Groanin war kurz davor, in Panik zu geraten. Ein harter Aufschlag auf den Boden aus zigtausend Metern Höhe versprach ebenso unangenehm zu werden wie ein harter Aufschlag auf dem Atlantik.
    »Zum Teufel mit Nimrod!«, rief Groanin. »Zum Teufel mit ihm und seinen blöden Ideen! Er bringt mich noch um, jawohl!«
    Er schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, irgendeinen Einfall heraufzuholen, der ihm im Hinterkopf klebte wie ein heiß gewordenes Bonbon.
    »Dieser verflixte Teppich«, murmelte er. »Wenn ich nur wüsste, was mein Dad jetzt machen würde. Ich wünschte wirklich, ich wüsste es.«
    Sekundenlang stellte sich Groanin seinen Vater vor, wie er in seinem Elternhaus in Burnley einen Teppich verlegte, und ein Proust´scher Geruch nach verbrannten Teppichen kroch in die Nasenlöcher seiner Erinnerung.
    »Natürlich!«, rief er aus, als er sich plötzlich daran erinnerte, dass sein Vater die Teppichkanten immer mit einem heißen Gegenstand zum Schmelzen gebracht hatte.

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