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Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Titel: Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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tragischer Unglücksfälle wissenschaftlich messen ließen. Bisher hatten die Wissenschaftler nicht allzu viel gemessen, außer, dass es in Pompeji sehr heiß war und sie durch zu viel Pasta und Pizza immer dicker wurden. Mit Sicherheit war Silvio schon geraume Zeit kein Unglück mehr widerfahren.
    Silvio sang beim Arbeiten ein kleines Lied, das »Guaglione« hieß und bei dem er immer an gutes Essen und Wein denken musste, an hübsche Mädchen und Vespafahrten durch Rom, Sonnenschein und einen Tag am Strand. Und wie üblich vergaß er in kürzester Zeit all die schrecklichen Dinge, die er erlebt hatte,seit er mit zwei Jahren aus einem Fenster im dritten Stock gefallen und, bis dahin unverletzt, von einem neapolitanischen Pizzalieferwagen überrollt worden war.
    Als er »Guaglione« zu Ende gesungen hatte, sang er »Ciao, ciao, bambina«, und das sehr gut, was seine Laune noch mehr steigerte, weil er dabei an lächelnde italienische Kinder und zutrauliche Hunde, an leckere Eiscreme und blauen Himmel denken musste, und mit Sicherheit nicht daran, aus einem Flugzeug der Alitalia gesaugt zu werden, bei dem eine Tür abgefallen war, oder auf einem Fußballfeld vom Blitz getroffen zu werden oder an seine zweiundvierzig Autounfälle. Er konnte sogar über ein kleines Mädchen mit einem Spielzeugpanda lächeln, ohne sofort an sein Erlebnis im römischen Zoo denken zu müssen, wo er von einem ausgebrochenen Panda namens Felix ernsthaft verletzt worden war.
    Als Silvio sämtliche Waren abgestaubt hatte, klappte er die Läden des Ladens auf, holte begeistert Luft und sagte sich, dass er der glücklichste Mensch der Welt sei, weil er diese wunderbare Arbeit hatte. Was wiederum dazu führte, dass der kleine Mann mit dem schütteren Haar, der ein wenig hinkte (seit ihn das Trümmerteil eines ausgefallenen russischen Satelliten getroffen hatte), das Lied »La Panze« anstimmte. Alle, die in Pompeji lebten und arbeiteten, liebten dieses Lied, das Silvio genau so sang wie Renato Carosone.
    Außer seinen zahllosen Unfällen hatte Silvio auch das kleine amerikanische Mädchen mit den rotblonden Haaren und der Brille so gut wie vergessen, und es dauerte einen Moment, bis ihm einfiel, dass sie ein Flaschengeist war und ihm drei Wünsche angeboten hatte, weil die italienische Zeitung
Il Foglio
ihn als den größten Unglücksraben der Welt dargestellt hatte.
    Dieses Mal wurde das Mädchen von einem hochgewachsenen Mann in einem roten Anzug begleitet. Der Mann hatte eine große Nase, einen breiten Mund und den Kopf voller dunkler Locken. Er sah klug aus, wie ein Wissenschaftler, nicht unbedingt von der verrückten Sorte, aber vielleicht ein bisschen exzentrisch, wenn man die Farbe seines Anzugs mit berücksichtigte. Oder vielleicht wie ein Prinz aus der Zeit der Renaissance. Auf jeden Fall außergewöhnlich und vornehm. Silvio ahnte instinktiv, dass der Mann ebenfalls ein Flaschengeist sein musste, und sei es nur, weil er das Mädchen begleitete und seine Augen mehr ausstrahlten als bloße Intelligenz. Es war Macht. Keine beängstigende Art von Macht, sondern etwas anderes. Eine Art unerschütterliche Stärke vielleicht. Ein inneres Leuchten, wie bei einem heiligen Mann oder sogar einem Engel.
    »Hallo«, sagte Philippa.
    Silvio lächelte unsicher. »Hallo«, sagte er.
    »Das ist mein Onkel Nimrod.«
    »Guten Tag, Sir.«
    »Ihr Gesang hat uns gut gefallen, Signor Prezzolini«, sagte der hochgewachsene Mann. »Nicht wahr, Philippa? Lasst singende Menschen um mich sein, sage ich immer. Menschen wie Sie, Signor Prezzolini, sind die wahren Künstler dieser Welt, Maler, die etwas Farbe in unsere lichtlosen Herzen zaubern. Ohne Sie wäre alles ziemlich monochrom, Sir. Die unvollkommene Daguerreotypie eines längst vergessenen Ortes.«
    Silvio sah ein wenig unsicher drein und fragte sich, was wohl eine Daguerroetypie sein mochte.
    Genau wie Philippa.
    »Damit kenne ich mich nicht aus, Boss«, sagte Silvio. »Sie sind Engländer, no?«
    »Ja. Und wenn es auf unserer kleinen Insel ein wenig mehr Sonnenschein gäbe, würden wir vielleicht genauso glücklich aussehen und klingen wie Sie, Signore.« Nimrod seufzte und sah sich dann mit einem Lächeln um. »Wie Erdbeeren und Tomaten gedeiht auch das Glück größtenteils an der Sonne, nicht wahr?«
    »Ja, da haben Sie vielleicht recht«, räumte Silvio ein. »Sind Sie ein Flaschengeist wie Ihre Nichte?«
    »So ist es«, sagte Nimrod. »Obwohl wir uns heutzutage selbst lieber als
Dschinn
bezeichnen. Wir

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