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Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi

Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi

Titel: Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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Mittwochsengel

    Mit einem Wirbelsturm waren sie zu einem Feld außerhalb Malpensas geflogen, das mitten im Absatz des italienischen Stiefels lag. Nach der Landung fuhren sie mit einem Krankenwagen, den Nimrod mit Dschinnkraft geschaffen hatte und mit dem sie Faustinas Körper abzutransportieren hofften, einen steilen Hügel hinauf und in die Stadt hinein.
    Malpensa war ein recht merkwürdiger kleiner Ort, fand Philippa. Er war auf der Kuppe eines hohen Felsens errichtet und sah aus, als wachse er wie ein Baum oder ein Strauch aus dem Gestein. Wegen der Erdbeben, die diesen Landstrich immer wieder erschütterten, waren die Gebäude der Stadt in einem schlechten Zustand. Und aus Angst vor den Folgen, die ein weiteres Beben auf ihre ohnehin schon in Mitleidenschaft gezogenen Häuser haben könnte, wohnten die meisten Stadtbewohner inzwischen lieber wie die Bären und Fledermäuse in dem ausgedehnten Höhlensystem der Region.
    Nicht wenige der größeren und bedeutenderen Gebäude, wie das Rathaus und die Polizeistation, wurden von riesigen Balken abgestützt oder waren von großen, käfigartigen Gerüsten umgeben, sodass ganze Bereiche von Malpensa aussahen, als halte man dort große und gefährliche Tiere gefangen. Ansonstenhatte die Stadt eher etwas Provisorisches an sich, fand Philippa. Als habe man sie als Kulisse für einen längst vergessenen Billigfilm errichtet.
    »Nicht schwer zu erraten, warum der Ort Malpensa heißt«, stellte Philippa fest.
    »Ach?«, sagte Groanin. »Was heißt Malpensa denn genau?«
    »Schlechter Gedanke«, sagte sie.
    »Ja, dieser Ort hat durchaus etwas Unheilvolles«, sagte Groanin. »Ich habe zwar schon hässlichere und unglücklichere Städte gesehen, aber nur in Schottland. Wenn es um hässliche Städte geht, macht den Schotten niemand etwas vor.«
    Die Katakomben befanden sich unter einer kleinen Kirche an der Piazza Carthusi, die am Stadtrand lag, unmittelbar gegenüber einem Sportplatz, auf dem bei Flutlicht gerade ein Fußballspiel ausgetragen wurde, dem die gesamte Bevölkerung – circa 825   Einwohner – lautstark beiwohnte.
    »Wie kommt es nur«, beklagte sich Groanin, »dass wir immer nachts an diesen schrecklichen Orten landen?«
    »Die Katakomben sind Malpensas einzige echte Touristenattraktion«, erwiderte Nimrod. »Wir können also kaum zu einem anderen Zeitpunkt hier auftauchen. Laut Reiseführer kommen im Sommer täglich um die hundert Besucher hierher.«
    »Wirklich kaum zu glauben, was die Menschen in ihrem Urlaub alles unternehmen und sehen wollen«, sagte Groanin. »Man kann sich nur immer wieder wundern.«
    »Außerdem«, fügte Philippa hinzu, »glaube ich nicht, dass sie uns am helllichten Tag einfach so mit einer ihrer Hauptattraktionen davonspazieren lassen, meinen Sie nicht auch?«
    »Ja«, sagte Groanin, »ich gebe zu, dass sich die Nacht für Leichenraub besser eignet. Auch wenn es mir anders lieber wäre.«
    Die Kirchentür war nicht verschlossen. Sie gingen hinein und suchten sich zwischen den Balken, mit denen die Wände abgestützt wurden, ihren Weg. An einem riesigen Deckenkronleuchter und auf einem Holzgestell in einer kleinen Seitenkapelle brannten Dutzende von Kerzen. Es war niemand in der Nähe. Nimrod kaufte drei Kerzen, die wie Zigarren unter dem Holzgestell aufgestapelt lagen, zündete sie an und gab eine an Philippa und eine an seinen Butler weiter. Im hinteren Teil der Kirche, hinter dem Altar, wies ein grob bemaltes Schild den Weg zu den Katakomben.
    Nimrod hatte sich für die Reise nach Italien Silman Francos Skelettschlüssel ausgeliehen und diesen schickte er nun in das Schlüsselloch des untertassengroßen Vorhängeschlosses, mit dem das Eisentor zu den Katakomben gesichert war. Das Schloss ging auf, Groanin zog das schwere Tor mit seinem starken Arm auf und trat zur Seite, um Nimrod und Philippa als Erste die Stufen hinabsteigen zu lassen. Als jemand, dem die Dunkelheit und vor allem Geister gehörige Angst einjagen – von den Gebeinen Dutzender Verstorbener ganz zu schweigen   –, erwies er ihnen diese Höflichkeit sehr gern.
    Als er die erste Gruppe von Leichnamen erblickte, überlief ihn ein leichter Schauer. Zur Schau gestellt wie die Hauptattraktionen des Privatmuseums irgendeines obskuren Sammlers, waren sie, zum Greifen nah, in Nischen aufgebahrt oder an die weiß getünchten Wände gelehnt. Einige waren in sehr gutem Zustand, mit perfekt erhaltenen Gesichtszügen, Haaren undAugen; andere waren kaum mehr als Skelette, denen

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