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Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi

Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi

Titel: Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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Hände und Kiefer fehlten. Einige wenige Leichname hatten Anzüge an, die meisten jedoch Mönchskutten. Ein oder zwei trugen eine napoleonische Uniform oder volle Abendgarderobe. Es gab auch tote Babys und Kinder, denn der Tod hat wenig Respekt vor Jugend. Diese fand Groanin besonders erschütternd und einige der kleinen Gesichter trieben ihm die Tränen in die Augen. Gleichzeitig jedoch wurde ihm klar, warum jemand skrupellos genug gewesen sein mochte, ein paar Wachsfiguren zu stehlen und sie gegen einige der Leichen in den Katakomben auszutauschen. An nichts erinnerte ihn dieser Ort so sehr wie an ein Wachsfigurenmuseum.
    »Teufel auch«, sagte er. »Schaut euch nur all diese Gerippe an. Das müssen Tausende sein. Sieht aus wie im britischen Parlament.«
    Philippa schnüffelte laut, doch es lag keinerlei Geruch in der Luft. »Wie verhindern sie nur die Verwesung der Körper?«, fragte sie. »Und dass sie die ganze Kirche verstänkern?«
    »Dieses Kind«, murmelte Groanin. »Wie kommt sie bloß auf solche Gedanken?«
    »Gute Frage«, sagte Nimrod und ging tiefer in die Katakomben hinein. »Sie sind einbalsamiert. Das bedeutet, dass man sie nach dem Tod mit Chemikalien behandelt hat. Wie im alten Ägypten. Ich glaube, manche von ihnen wurden sogar in Arsen getaucht.«
    »Ist das nicht ein Gift?«, fragte Philippa.
    »Ja, aber ich glaube, denen tut das nichts«, sagte Groanin und hob seine Kerze an, um jemandem ins Gesicht zu leuchten, der ein Bischof zu sein schien. »Jedenfalls nicht mehr.« Er schüttelteden Kopf. »Hol mich der Teufel. Der hier ist seit 1599 tot. Sieht man ihm gar nicht an. Er sieht haargenau aus wie der Vikar unserer Kirche in Kensington.«
    »Du hast recht, Groanin«, stimmte Nimrod ihm zu. »Vielleicht sind es Zwillinge.«
    »So wie der Mann sonntags Gottesdienst hält, würde mich das nicht wundern«, sagte Groanin. »Komische Vorstellung, dass all diese Leute hier einmal ein Leben, Familie und Arbeit hatten, genau wie wir. Ist ein seltsames Gefühl. So als würde es nicht lange dauern, bis man mich selbst irgendwo an die Wand stellt.«
    »Das nenne ich einen heiteren Gedanken«, sagte Nimrod und klopfte Groanin fröhlich auf den Rücken.
    »Wollen Sie mir erzählen, dass sich wirklich Touristen hierher verirren?«, fragte Groanin Nimrod. »Das ist nicht gerade Disneyland.«
    »Nein, nicht ganz«, sagte Philippa und zeigte auf ein weiteres Hinweisschild. »Obwohl hier steht, dass es zu Dornröschen dort entlanggeht.«
    Mit flackernden Kerzen gingen sie bis ans Ende eines langen Ganges, den die Leichname zahlreicher Kartäusermönche säumten.
    Einige von ihnen befanden sich hinter Maschendraht, um zu verhindern, dass sie aus ihren Alkoven fielen. Einer hielt einen Schädel in der Hand. Ein anderer schien dem kleinen nächtlichen Trio etwas zuzuschreien.
    »Und ich habe gedacht, in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett wäre es unheimlich«, gestand Groanin. »Im Vergleich zu dem hier war das ein Spaziergang im Park.«
    Als sie um die Ecke bogen, befanden sie sich in einem Raum, in dem nur ein einziger Leichnam lag: Aufgebahrt auf einer gläsernen Vitrine, wie die Heldin eines kitschigen Zeichentrickfilms, lag der perfekt erhaltene Körper eines Mädchens, das etwa genauso alt war wie Philippa. Es war Faustina.
    »Laut Reiseführer starb das hiesige Dornröschen 1920«, sagte Nimrod. »Ich könnte wetten, dass ihnen das Original verrottet ist und sie schnell Ersatz brauchten. Höchstwahrscheinlich haben sie das Original begraben und sich dann Faustina aus dem Wachsfigurenkabinett geholt.«
    »Das ist unglaublich«, murmelte Groanin.
    Noch unglaublicher fand Philippa die Kleider, die Faustina trug. »Oh Gott, seht euch nur diese Klamotten an«, stöhnte sie. »In solchen Fummeln wollte ich nicht begraben sein.«
    »Dann kann Faustina von Glück sagen, dass sie sich lediglich in einem leblosen Zustand befindet«, sagte Nimrod.
    »Und was ist mit ihren Haaren passiert?«, sagte Philippa.
    »Du hast recht, Mädel«, sagte Groanin. »Sieht aus, als hätte sie jemand mit Messer und Gabel frisiert.«
    »Vermutlich haben sich Touristen kleine Strähnen abgeschnitten und als Andenken mitgenommen«, sagte Nimrod. »Aus reiner Sentimentalität.« Er legte Faustina die Hand auf die Stirn. »Eine sehr menschliche Schwäche.«
    Groanin, der in der Dunkelheit etwas rascheln hörte, sah sich nervös um. Die überwältigende Präsenz von Tod und Verfall begann ihm langsam aufs Gemüt zu schlagen. »Kommen Sie,

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