Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
Burg. »Auch euch viel Glück«, rief er über die Schulter. »Nach allem, was ich in den Bellili-Rollen gelesen habe, werdet ihr es bitter nötig haben.« Dann stellte er die Koffer in der Eingangshalle ab, versetzte der Tür einen Tritt und sie fiel hinter ihm zu.
John war hundeelend. Er sah dem Wanderfalken nach, der sich hoch in die Luft schraubte, weit über das neue Dach hinaus und scheinbar höher als bis über das Reich der Götter, dann drehte er nach Süden ab und verschwand schließlich hinter dem Horizont.
»Ich habe befürchtet, dass so etwas passieren könnte«, sagte Nimrod.
»Was habe ich getan?«, stöhnte John. »Was habe ich nur getan?«
»Du hättest es nicht verhindern können«, sagte Nimrod. »Nicht, nachdem der Wunsch ausgesprochen war. Du kannst nichts dafür.«
»Er hat Recht, John«, sagte Mr Rakshasas und legte John liebevoll die Hand auf die Schulter. »Aber jetzt weißt du Bescheid. Es ist das Risiko, das wir immer eingehen, wenn wir Irdischen drei Wünsche erfüllen. Sie reden erst und denken später. Ich weiß noch gut, wie ich zum ersten Mal einen ungenau ausgesprochenen Wunsch verwirklichen musste. Es hat mir schwer zu schaffen gemacht damals.« Er seufzte tief. »Aber so ist es eben. Erfahrung. Schwimmen lernt man nicht auf dem Küchenfußboden.«
Nimrod klemmte sich Macreebys Buch unter den Arm und legte die Hand auf Johns andere Schulter. »Komm«, sagte er. »Machen wir, dass wir hier wegkommen, bevor ich diesen Mann in einen Sperling verwandle. Dann würden wir nämlich sehen, wie ihm sein Sohn als Falke gefällt.«
Der Hängende Palast von Babylon
Als Philippa nach einer halben Ewigkeit aus dem Zigarrenröhrchen freikam, in das Izaak Balayaga sie gesperrt hatte, fand sie sich allein in einem riesengroßen, prunkvoll ausgestatteten Zimmer wieder. Es sah aus wie das Schlafzimmer einer Königin. Große Marmorsäulen stützten die kunstvoll gearbeitete Decke, von der mehrere gewaltige Kristallleuchter hingen. Die Fenster, jedes höher als ein Bus, waren umrahmt von schweren gelben Seidenvorhängen, die zum Bettüberwurf und zur Polsterung der goldverzierten Lehnsessel passten. Überall standen weiße Marmorstatuen von Kindern, die meisten dicke, nackte Babys, entweder in Tücher gehüllt oder in unbequemer Stellung an übergroße Muscheln gelehnt. Philippas Geschmack entsprach das Zimmer nicht. Trotzdem hatte es etwas an sich, das ihr gefiel: einen wunderbaren Duft nach frischen, exotischen Blüten, wie sie ihn ähnlich nie gerochen hatte.
Mattes Sonnenlicht fiel durch die Fenster, aber als Philippa über den dicken, rosa gemusterten Teppich ging, um hinauszuschauen, stellte sie verblüfft fest, dass es keine Aussicht gab – nichts, rein gar nichts –, nur dieses matte weiße Licht. Das war merkwürdig. Philippa kam es vor wie eine Aussicht in einem Traum, und zwar in keinem sehr schönen Traum. Sie kniffsich ein paarmal, wie es oft in Büchern vorkommt, wenn sich jemand beweisen will, dass er wach ist. Oder wenn er wach werden will. Aber nachdem Philippa erkannt hatte, dass sie hundertprozentig wach war, wäre es ihr doch lieber gewesen, sie befände sich in einem Traum – umso mehr, als sie herausfand, dass auch noch die Tür versperrt war.
Zuerst wollte sie einfach nur schreien und rufen und an die Tür hämmern, bis jemand käme und sie herausließe. Aber dann fiel ihr ein, wer und was sie war. Sie konzentrierte sich und sprach ihr Fokuswort »FABELHAFTIGANTISCHWUNDERLICHERICH!« und wünschte sich nach Hause nach New York.
Nichts passierte, obwohl sie überzeugt war, dass es funktioniert haben musste, denn es war warm hier in ihrem goldenen Käfig – warm genug für die Entfaltung von Dschinnkräften. Ihr kam der Verdacht, dass ihre Fähigkeiten nachließen, denn zum zweiten Mal in zwei Tagen wurde sie von einem Fokuswort im Stich gelassen. Erst von Nimrods Diskrimen und nun von ihren eigenen Dschinnkräften. So gab es also nichts zu tun als geduldig abzuwarten; etwas, das Philippa zum Glück konnte. Sie legte sich auf das große, weiche Bett und wartete darauf, dass etwas geschehen würde.
Und nach einer Weile geschah tatsächlich etwas: Im Türschloss war ein Klappern zu hören.
Philippa sprang auf, lief mit klopfendem Herzen zur Tür und stand einer kleinen unscheinbaren Frau gegenüber, an deren äußere Erscheinung sie sich dunkel erinnern konnte. Die Frau brachte ein silbernes Tablett mit Sandwiches, Kuchen, Keksen und einem großen Krug
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