Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
Mr Rakshasas in seinem Lexikon nachschlagen konnte. »Sie hätten mich etwas Schwieriges fragen sollen.« Er hielt die Flasche hoch. »Aber lassen wir den Geist aus der Flasche antworten.«
»Die Hauptstadt von New Mexico ist Santa Fe«, sagte Mr Rakshasas. »Es ist die am längsten ununterbrochen besiedelte Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Seine Einwohnerzahl beträgt 70 000 und es liegt 7000 Fuß über dem Meeresspiegel.«
»Zum Teufel, so viel weiß nicht mal ich«, gab der Soldat zu.
»Ob wir heute hier übernachten könnten?«, sagte Groanin. »Wir haben wirklich keine andere Möglichkeit. Wenn Sie mich nicht aufnehmen wollen, dann doch wenigstens den Jungen. Er ist immerhin amerikanischer Staatsbürger.«
»Ich rufe den Leutnant an«, sagte der erste Soldat. »Mal sehen, was sie meint.«
In der größten Baracke hörte sich Leutnant Kelly Sanchez Mr Groanins Geschichte an. Sie war dünn und blass, hatte kurzes rotes Haar und dunkle Ringe unter ihren grünen Augen. Sie musterte Groanin mit deutlicher Ablehnung. »Finden Sie das nicht reichlich unvernünftig?«, sagte sie steif. »Ein Kind an einen solchen Ort zu bringen?«
»Ich verstehe, warum Sie dieser Ansicht sind«, meinte Groanin. »Aber der Junge spricht fließend Arabisch. Dazu kommt, dass seine Mutter, meine Halbschwester, selbst halb arabischer, halb amerikanischer Abstammung ist.«
»Na schön«, seufzte Leutnant Sanchez. »Sie können eine Nacht bleiben. Aber nur eine Nacht. Am Morgen werde ich Ihre Fahrt nach Bagdad in die Wege leiten lassen, falls Sie tatsächlich dorthin wollen.«
»Danke«, sagte Groanin. Er sah John an und lächelte. Der Junge lächelte zurück. »Ist das nicht eine gute Nachricht, John?«
»Ja«, sagte John. »Vielen Dank, Leutnant.«
»Wie ich schon angedeutet habe, bin ich Bauchredner von Beruf«, sagte Groanin. »Es würde mich freuen, wenn ich vor Ihnen und Ihren Leuten auftreten dürfte – als Dank sozusagen. Ich habe schon in ganz Europa und Amerika Kabarett gemacht. Probieren Sie’s aus, Leutnant. Fragen Sie den Flaschengeist, was Sie wollen.«
»Wie wäre es denn mit drei Wünschen?«, sagte der Leutnant.
»Ich kann das Unmögliche möglich machen«, antwortete Mr Rakshasas aus der Flasche. »Zauberkunststücke dauern länger. Aber testen Sie die Grenzen meines Wissens.«
»Okay«, sagte Leutnant Sanchez. »Bevor ich zur Armee ging, habe ich auf dem College Mathematik studiert. Können Sie mir also sagen, was das ›kartesische Blatt‹ ist?
»Das kartesische Blatt?«, wiederholte Groanin. »Hast du das gehört, o Geist in der Flasche?«
»René Descartes, geboren am 31. März 1596 in La Haye, Frankreich«, sagte Mr Rakshasas. »Gestorben am 11. Februar 1650 in Stockholm. Französischer Mathematiker und Philosoph. Das kartesische Blatt ist die Kurve, die sich aus Descartes’ Gleichung x 3 + y 3 = 3 axy definiert.«
»Erstaunlich!«, gab Leutnant Sanchez zu, und zum ersten Mal, seit John und Mr Groanin in ihrem Büro saßen, lächelte sie. »Vielleicht haben Sie Recht. Das könnte den Leuten gut tun. Was meinen Sie, Sergeant?«
»Ma’am, jawohl, Ma’am«, sagte der Unteroffizier, der unmittelbar hinter John stand.
»Sagen wir, in einer Stunde?«, schlug Sanchez vor.
»Warum nicht«, erwiderte Mr Rakshasas.
»Sehr gut«, lächelte Sanchez. »Sehr gut.«
Ein Soldat führte John, Groanin und die beiden Hunde zu einer kleineren Wellblechbaracke, in der sie übernachten sollten, und postierte sich dann als Wache vor ihre Tür. Damit hatten sie nicht gerechnet.
»Wird nicht leicht sein, hier rein- und rauszukommen – mit dem Posten vor der Tür«, sagte John.
Groanin nickte zu der Karte hin, die John inzwischen gründlich studiert hatte. »Hast du schon eine Ahnung, wo der geheime Eingang liegen könnte?«, fragte er.
»Ich schätze, auf der Nordseite des Turms. Gleich hinter dem Zelt, in dem offenbar die Duschen sind«, sagte John.
Groanin stieß einen tiefen Seufzer aus. »Dann bleibt uns nur eins«, sagte er. »Du machst dich am besten ohne uns auf den Weg nach Iravotum.«
»Sie meinen, ich allein?«
»Mit Alan und Neil natürlich«, sagte Groanin. »Aber warte nicht auf mich und Mr Rakshasas. Mit diesem Posten vor der Tür wirst du wohl nur eine einzige Chance haben, dich zu dem geheimen Eingang zu stehlen. Du nutzt sie am besten, sobald du kannst.«
»Mr Groanin hat Recht, John«, sagte Mr Rakshasas. »Es könnte deine erste und letzte
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