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Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Titel: Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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also nicht unbedacht von meinem Tod, Kind. Wenn du genau wissen willst, wann das sein wird, brauchst du nur hierher zu kommen und selbst nachzuschauen.« Ayesha schob mich ein Stück vorwärts. »Komm. Sieh hin.«
    Fassungslos betrachtete ich die Markierung genauer und sah, dass die Höhe der blauen Flamme Ayesha nur noch ein paar Monate Leben zugestand. Und während ich noch die Flamme anstarrte, hielt Ayesha ihre Hand hinein wie jemand, der an einem heißen Sommertag seine Hand in einen Teich tauchte.
    »Tut das nicht weh?«, fragte ich.
    »Nein, Kind. Nicht uns. Nicht den Kindern der Dschinn.«
    Ayesha führte mich zum Fuß einer goldenen Wendeltreppe. »Das Feuer
deiner
Dschinnseele liegt dort oben, Philippa. Wenn du so weit bist, kannst du die Treppe hinaufsteigen und genau feststellen, wie lange du zu leben hast.«
    »Was für eine Horrorvorstellung«, sagte ich. »Ich kann mir nichts Schlimmeres denken, als die Zeit meines Todes zu wissen. Ich verstehe nicht, wie Sie froh leben können, wenn Sie die ganze Zeit wissen, wann Sie sterben werden. Dass man das nicht weiß, gehört zu den Dingen, die das Leben angenehm und unbeschwert machen.«
    Ayesha lächelte. »So sprechen deine Gefühle, Philippa. Wenn du erst länger hier bist und mehr von dem Duft und den Früchten des Baumes der Logik genossen hast, wird sich das ändern. Du wirst sehen, dass es im Grunde viele Vorteile hat, genau zu wissen, wie lange man leben wird.«
    Bestürzt rannte ich zurück in mein Zimmer, wo ich mich nach einer Weile hinsetzte und in diesem Tagebuch weiterschrieb.
    Allmählich begreife ich, dass das Dasein als Dschinn nicht ohne Kehrseite ist. Trotz allem, auch nach dem Vorfall heute, werde ich wieder in den Garten gehen. Jetzt, wo ich weiß, wo der Mund der Wahrheit zu finden ist, bin ich fest entschlossen, mich nach Unterstützung für meine Flucht umzusehen.

Der Turm von Babel

    Sobald John und Mr   Groanin Darius gefunden und ihm versichert hatten, dass die beiden Wüstendämonen geflohen waren, brachten sie den Radwechsel zu Ende. Danach setzten sie ihre Fahrt fort.
    »Du musst ein großer Dschinn sein, dass du diese Dämonen besiegt hast«, sagte Darius. Sie fuhren jetzt langsam, weil es dunkel war. »Ich war sicher, dass wir alle umgebracht werden.«
    »Ich auch. Da sind wir also schon zu zweit«, sagte Mr   Groanin.
    Alan und Neil bellten zustimmend, als wollten sie sagen: »Wir auch. Genau genommen sind wir zu viert.«
    »In Wahrheit bin ich überhaupt kein großer Dschinn«, sagte John. »Meistens habe ich keine Ahnung, was ich tue. Meine Schwester ist die Kluge. Die hat das Talent. Sie weiß viel mehr über uns Dschinn.«
    Darius schüttelte den Kopf. »Ich hab gehört, was du sagst, John. Aber so bescheiden über sich selber spricht nur ein großer Dschinn. Ehrlich, nur ein großer und mutiger Dschinn wagt sich in ein so gefährliches Land wie den Irak – und ganz ohne seine Kräfte   –, um seine Schwester nach Hause zu holen.«
    Es war acht Uhr vorbei, als sie den Rand von Samarra erreichten, das aus nicht viel mehr als ein paar Palmen und ärmlichen, schmutzfarbenen Gebäuden bestand, die meisten von Bomben beschädigt.
    »Samarra war früher eine Kalifenresidenz«, erklärte Darius, als sie in die Stadt hineinfuhren. »Aber sie ist schon vor mehr als tausend Jahren aufgegeben worden. Jetzt kommen nur noch Soldaten und Archäologen her.«
    Endlich erreichten sie die Stelle, die sie gesucht hatten: den spiralförmig aufragenden Turm von Samarra, der, wie ihnen Darius mit dem Selbstbewusstsein eines erfahrenen Reiseführers versicherte, genau auf der Stelle des ursprünglichen Turms von Babel errichtet worden war und genau nach dessen Vorbild. »Die Fundamente sind die gleichen«, sagte er entschieden. »So hat wenigstens mein Vater immer gesagt.«
    Hier war auch die Stelle, wo sie laut Priester Enos Schriften nach einem geheimen Eingang in das unterirdische Reich Iravotum suchen mussten. Kaum standen sie aber vor dem Turm, sahen sie sich einem noch näher liegenden Problem gegenüber: Der spiralförmige Turm war umgeben von einem kleinen Militärstützpunkt der amerikanischen Armee, und es sah so aus, als sei der Zugang in das Camp schwieriger als der zu jedem geheimen Eingang. Der Stützpunkt lag hinter etlichen Reihen Stacheldrahtzaun und Hunderttausenden von Sandsäcken.
    »Da haben wir den Salat«, sagte Groanin. »Was machen wir jetzt?«
    »Wohl oder übel nach einer Möglichkeit suchen, wie wir hinter den

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