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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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verfolgten, ohne Umweg, den kürzesten Weg von einem Ende zum andern. Von Mühseligkeiten und Schwierigkeiten kein Gedanke. Sie richteten sich nach dem langsamen Schritt der Ochsen; und kamen diese ruhigen Thiere auch nicht schnell voran, so gingen sie doch wenigstens ohne anzuhalten. So erreichte die Karawane nach einer Reise von sechzig Meilen in zwei Tagen, am 23. Abends, die Gemeinde Aspley, die erste Stadt der Provinz Victoria, auf dem hundertundeinvierzigsten Längengrade, im Kreise Wimerra.
    Der Wagen wurde durch Ayrton im Crowns Inn eingestellt, einem Wirthshause, welches sich in Ermangelung eines Bessern den Namen »Gasthof zur Krone« beigelegt. Das Abendessen, einzig und allein aus Hammelfleisch bestehend, das in allen möglichen Arten zubereitet war, dampfte auf dem Tisch. Man aß viel, aber man plauderte noch mehr. Jeder, begierig sich über die Merkwürdigkeiten des australischen Festlandes zu unterrichten, befragte eifrig den Geographen. Paganel ließ sich nicht bitten, und erzählte von dieser Provinz Victoria, welche das glückliche Australien genannt wurde.
    »Falsche Bezeichnung! sagte er. Man sollte es lieber das reiche Australien nennen, denn es ist mit den Ländern wie mit den Menschen: der Reichthum macht das Glück nicht aus. Australien ist, Dank seinen Goldminen, der verheerenden und wilden Rotte der Abenteurer anheimgefallen. Sie werden das sehen, wenn wir durch die goldhaltigen Landstriche kommen werden.
    – Ist die Colonie Victoria nicht ziemlich neuen Ursprungs? fragte Lady Glenarvan.
    – Ja, Madame, sie besteht erst seit dreißig Jahren. Es war am 6. Juni 1835, einem Dienstag …
    – Um sieben ein Viertel Uhr Abends, fügte der Major hinzu, der sich gern mit Paganel über die Genauigkeit der Daten neckte.
    – Nein, um sieben Uhr zehn Minuten, versetzte der Geograph ernsthaft, als Batman und Falkner eine Niederlassung am Fort Philipp, in der Bucht, wo sich heute die große Stadt Melbourne ausbreitet, gründeten. Während fünfzehn Jahren machte die neue Colonie einen Theil von Neu-Süd-Wales aus, und hatte Sidney zur Hauptstadt. Im Jahre 1851 wurde sie für selbständig erklärt und nahm den Namen Victoria an.
    – Und seitdem ist sie sehr emporgeblüht? fragte Glenarvan.
    – Urtheilen Sie, mein lieber Freund, antwortete Paganel, nach den durch die letzte Statistik erlangten Ziffern, und was auch Mac Nabbs davon halten mag, ich kenne nichts Beredteres als die Ziffern.
    – Fangen Sie an, sagte der Major.
    – Im Jahre 1836 hatte die Colonie am Fort Philipp 244 Einwohner. Heute zählt die Provinz Victoria 550,000. Sieben Millionen Quadratfuß Weinbergsland liefern jährlich 121,000 Gallonen Wein. 103,000 Pferde galopiren über ihre Ebenen und 675,272 Stück Hornvieh nähren sich auf ihren unendlichen Weiden.
    – Hat sie nicht auch eine bestimmte Anzahl Schweine? fragte Mac Nabbs.
    – Ja wohl, Major, 79,625, wenn Sie nichts dagegen haben.
    – Und wie viel Schafe, Paganel?
    – 7,115,943, Mac Nabbs.
    – Auch das mit inbegriffen, welches wir jetzt eben essen, Paganel?
    – Nein, dies nicht inbegriffen, denn ist es schon zu drei Viertel verzehrt.
    – Bravo, Herr Paganel! rief Lady Glenarvan mit herzlichem Lachen aus. Man muß gestehen, daß Sie in diesen geographischen Fragen sehr bewandert sind, und mein Vetter Mac Nabbs mag es anfangen, wie er will, er wird Sie auf keiner Blöße ertappen.
    – Dies ist ja mein Gewerbe, Madame, ich muß diese Dinge kennen und sie im Nothfall lehren. Auch können Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, daß dieses sonderbare Land uns noch Wunder aufspart.
    – Bisher, indessen, … antwortete Mac Nabbs, welchem es Vergnügen machte, den Geographen zu reizen und seinen Eifer anzuregen.
    – Aber warten Sie doch, ungeduldiger Major! rief Paganel. Sie haben kaum den Fuß über die Grenze gesetzt und sind schon unwillig! Nun wohl, ich sage Ihnen, und wiederhole es nochmals, daß ich behaupte, diese Gegend sei die merkwürdigste auf der ganzen Welt. Seine Gestaltung, seine Natur, seine Producte, sein Klima, ja sogar sein Verschwinden in der Zukunft, haben alle Gelehrten der Erde in Erstaunen gesetzt und werden es noch thun. Stellen Sie sich, meine Freunde, ein Festland vor, dessen äußere Theile und nicht der Mittelpunkt, sich ursprünglich aus den Fluthen wie ein riesenhafter Ring emporgehoben haben; ein Festland, welches vielleicht in seinem Mittelpunkt ein halb verdunstetes, unterirdisches Meer birgt; dessen Flüsse von Tag zu Tag austrocknen; wo die

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