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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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daß dieser See nicht weißer als das Schwarze Meer schwarz und das Rothe Meer roth, der Gelbe Fluß gelb und die Blauen Berge blau seien. Doch stritt der Geograph heftig aus wissenschaftlichem Selbstbewußtsein, aber man ließ seine Beweisgründe nicht gelten.
    Mr. Olbinett bereitete mit gewohnter Pünktlichkeit das Abendessen; darauf legten sich die Reisenden zur Ruhe, die einen im Wagen, die anderen im Zelt, und schliefen ungeachtet des kläglichen Geheuls der »Dingos«, der Schakale Australiens, unverzüglich ein.
    Eine wunderschöne Ebene, ganz mit Chrysanthemum bedeckt, erstreckte sich jenseits des Weißen Sees. Am folgenden Morgen hätten Glenarvan und seine Gefährten beim Erwachen dem prachtvollen Schmuck, der sich ihren Blicken darbot, gern länger ihre Bewunderung gezollt, doch mußte man aufbrechen. In der Ferne verriethen einige kleine Höhen die Erhebung des Bodens. Bis zum Horizont standen Wiese und Blumen im röthlichen Frühlingsschmuck. Der blaue Schimmer der Flachsblume mit den seinen Blättern vermischte sich mit dem Scharlachroth einer dieser Gegend eigenthümlichen wachsenden Distelblume. Reicher Blüthenschmuck zierte die Grasfläche und der salzhaltige Boden prangte von buntblühenden Kräutern, aus welchen eine vorzügliche Soda gewonnen wird. Paganel nannte die verschiedenen Gewächse bei ihrem Namen, und bei seiner Liebhaberei, Alles zu beziffern, theilte er mit, daß die australische Flora bis jetzt 4200 Pflanzenarten in 120 Familien zähle.
    Späterhin, nachdem der Wagen ungefähr zehn Meilen in größter Schnelligkeit zurückgelegt hatte, fuhr er rings umgeben von hohen Akazien-Mimosen und weißen Gummibäumen.
    Das Thierreich hingegen war weniger ergiebig an Erzeugnissen. Einige Kasuare sprangen durch die Ebene, ohne daß man sich ihnen hätte nähern können. Indessen war der Major so geschickt, ein sehr seltenes Thier zu erlegen. Es war ein »Jabiru«, der Riesenkranich der englischen Colonisten. Dieser Vogel war fünf Fuß groß und sein schwarzer, breiter, kegelförmiger, spitz zulaufender Schnabel achtzehn Zoll lang. Der violette Purpurglanz seines Kopfes stach grell ab von dem glänzenden Grün seines Halses, dem blendenden Weiß seiner Brust und dem hellen Roth seiner langen Beine.
    Man bewunderte den Vogel sehr, und der Major hätte die Ehre des Tages davongetragen, wenn nicht der junge Robert einige Meilen weiter ein unförmliches Thier tapfer erlegt hätte, das halb Igel, halb Maulwurf war, ein Wesen von unfertiger Gestalt, wie die ersten Thiere der Schöpfung.
    Eine dehnbare, lange, schlüpfrige Zunge hing aus dem zahnlosen Maule heraus und fing die Ameisen, welche seine Hauptnahrung bilden.
    »Das ist ein Ameisenigel! sagte Paganel. Haben Sie je ein solches Thier gesehen?
    – Ein abscheuliches Thier, antwortete Glenarvan.
    – Abscheulich, aber merkwürdig, versetzte Paganel, außerdem ist’s ein Australien eigenthümliches Product; man würde es in jedem andern Welttheil vergeblich suchen.«
    Natürlich wollte Paganel das scheußliche Thier mitnehmen und beim Gepäck unterbringen. Doch war Mr. Olbinett so empört darüber, daß der Gelehrte darauf verzichtete, dieses Probeexemplar aufzubewahren.
    An diesem Tage kamen die Reisenden dreißig Minuten über den hunderteinundvierzigsten Längengrad hinaus. Bis hierher hatten sie wenig von Ansiedlern geschehen. Das Land schien öde, von Eingeborenen war keine Spur, denn die wilden Stämme durchziehen mehr die endlosen, von den Nebenflüssen des Darling und des Murray bewässerten nördlichen Einöden.
    Doch erregte ein merkwürdiges Schauspiel das Interesse der Gesellschaft Glenarvan’s. Sie sollten eine jener unendlich großen Heerden zu sehen bekommen, welche kühne Speculanten aus den östlichen Gebirgen bis in die Provinz Victoria und nach Süd-Australien treiben.
    Gegen vier Uhr Nachmittags signalisirte John Mangles drei Meilen vor ihnen eine ungeheure Staubsäule, die sich am Horizont entwickelte. Woher kam diese Erscheinung? Man konnte sich dieselbe nicht erklären, und Paganel war geneigt, sie für ein Meteor zu halten, für welches seine lebhafte Einbildungskraft schon eine natürliche Ursache suchte. Ayrton that jedoch seinen Vermuthungen Einhalt, indem er erklärte, diese Staubwolke komme von einer auf dem Zuge befindlichen Heerde. Der Quartiermeister täuschte sich nicht; das dicke Gewölk kam näher; man vernahm ein Concert von Blöcken, Wiehern und Brüllen. Menschenstimmen in der Form von Schreien, Pfeifen,

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