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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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unappetitlichen Reste, die Jener verschmähte.
    Jetzt waren einige dieser Bedauernswerthen, die vielleicht schon lange jeder Nahrung entbehrten, dabei, mittels hingestreuter Körner einige Vögel herbeizulocken.
    Sie lagen unbeweglich, todtenähnlich, ganze Stunden lang auf dem glühenden Boden ausgestreckt, und lauerten, bis ein naiver Vogel in das Bereich ihrer Hände kam. Ihre Kunst, Fallen zu stellen, reichte nicht weiter, und es gehörte eben ein gefiederter Bewohner Australiens dazu, um sich auf diese Weise fangen zu lassen.
    Unterdessen umringten die durch das Entgegenkommen der Reisenden vertrauter gewordenen Eingeborenen die Ersteren, welche alle Mühe hatten, sich der vorzüglich entwickelten Diebesgelüste derselben zu erwehren. Diese sprachen ein vorwiegend aus Zungenlauten bestehendes pfeifendes Idiom, das dem Schrei mancher Thiere ähnelte. Manchmal hatte ihre Sprache jedoch auch Schmeicheltöne von großer Zartheit; häufig wiederholte sich das Wort »
Noki, noki
«, welches die begleitenden Handbewegungen genügend verständlich machten. Es hieß »Gebt mir, gebt mir!« und wurde auch bezüglich des Besten, was die Reisenden besaßen, laut. Olbinett hatte viel zu thun, um den Lagerraum und vor Allem den Proviant der Expedition zu schützen. Die armen Verhungerten warfen erschreckende Blicke auf den Wagen und wiesen ihre scharfen Zähne, denen wohl auch Menschenfleisch nichts Fremdes war. Die meisten australischen Stämme sind zwar im Friedenszustande gewiß keine Anthropophagen, aber es giebt ja nur wenig Wilde, welche den Körper des besiegten Feindes zu verzehren verschmähen.
    Auf Helena’s Wunsch ließ Glenarvan indeß einige Nahrungsmittel vertheilen.
    Die Eingeborenen benahmen sich dabei auf eine Art und Weise, welche auch das fühlloseste Herz bewegt hätten; sie stießen Laute ähnlich denen wilder Thiere aus, wenn der Wärter diesen das tägliche Futter bringt. Ohne dem Major völlig beizustimmen, war es doch nicht zu leugnen, daß diese Menschenrace dem Thiere sehr nahe stand.
    Olbinett glaubte galanter Weise erst die Frauen befriedigen zu sollen. Diese unglücklichen Creaturen wagten es aber nicht, vor ihren gefürchteten Herren zu essen. Letztere stürzten sich wie auf gute Beute auf das Backwerk und getrocknete Fleisch.
    Mary Grant traten bei dem Gedanken, daß ihr Vater unter ebenso rohen Eingeborenen gefangen sein sollte, die Thränen in die Augen. Sie stellte sich vor, was ein Mann, wie Harry Grant, als Sklave eines solchen umherziehenden Stammes, zu leiden haben möchte, wo er dem Elend, dem Hunger und jeder Mißhandlung preisgegeben war.
    John Mangles, der sie mit sorgenvoller Aufmerksamkeit betrachtete, errieth die Gedanken, von denen ihr Herz voll war, und kam ihren Wünschen durch einige Fragen an den Quartiermeister der Britannia zuvor.
    »Ayrton, sagte er, sind Sie den Händen derartiger Wilden entlaufen.
    – Ja wohl, Kapitän, antwortete Ayrton. Diese Völkerschaften des Binnenlandes sind alle einander ähnlich. Hier sehen Sie indeß nur eine Handvoll dieser armen Teufel, doch wohnen an den Ufern des Darling noch zahlreiche Stämme, die von Häuptlingen beherrscht werden, welche mit furchtbarer Machtvollkommenheit handeln.
    – Was kann aber, fragte John Mangles, ein Europäer inmitten dieser Eingeborenen beginnen?
    – Das, was auch ich gethan habe, erwiderte Ayrton; er jagt und fischt mit ihnen, nimmt Theil an ihren Kämpfen und wird, wie ich schon erwähnte, je nachdem, was er leistet, behandelt. Ist er intelligent und tapfer, so nimmt er bei dem Stamme auch eine angesehene Stellung ein.
    – Aber er ist doch ein Gefangener? sagte Mary Grant.
    – Und so überwacht, fügte Ayrton hinzu, daß er weder bei Tage, noch bei Nacht einen Schritt thun kann.
    – Aber Ihnen, Ayrton, sagte der Major, der sich in das Gespräch mischte, ist es doch gelungen, zu entwischen.
    – Ja, Herr Mac Nabbs, und zwar gelegentlich eines Kampfes zwischen meinem Stamme und einer benachbarten Völkerschaft. Ich habe es durchgesetzt, nun wohl, jetzt bedauere ich es auch nicht. Sollte ich es aber noch einmal ausführen, ich glaube, ich zöge eine ewige Sklaverei den Qualen vor, die ich beim Marsch durch die Wüsten des Innern erduldet habe. Gott bewahre den Kapitän Grant davor, einen ähnlichen Rettungsversuch zu wagen!
    – Ja, gewiß muß es unser Wunsch sein, Miß Mary, meinte John Mangles, daß Ihr Vater bei irgend einem Stamme Eingeborener zurückgehalten werde. So werden wir weit leichter auf

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