Die Kinder des Kapitän Grant
seine Fährte kommen, als wenn er in den Wäldern des Continentes umherirrte.
– Sie haben noch immer Hoffnung? fragte das junge Mädchen.
– Noch immer die eine, Miß Mary, Sie dereinst mit Gottes Hilfe glücklich zu sehen.«
Die feuchten Augen Mary Grant’s allein konnten dem jungen Kapitän danken.
Während dieses Gesprächs entstand unter den Wilden eine ungewöhnliche Bewegung; sie stießen gellende Schreie aus, liefen verschiedentlich durch einander, ergriffen ihre Waffen und schienen von wilder Wuth erregt zu sein.
Glenarvan wußte nicht, wo das hinauswolle, als der Major an Ayrton die Frage richtete:
»Da Sie lange Zeit unter den Australnegern gelebt haben, verstehen Sie zweifelsohne auch die Mundart Dieser hier?
– So ziemlich, entgegnete der Quartiermeister, aber so viel Stämme, so viel Mundarten. Doch glaube ich annehmen zu dürfen, daß diese Wilden aus Dankbarkeit Seiner Herrlichkeit ein Kampfspiel aufführen wollen.«
Wirklich war das die Ursache jener Bewegung. Ohne weitere Umstände griffen sich die Eingeborenen mit erheuchelter Wuth an, und das so täuschend, daß der weniger Unterrichtete einen ernsthaften Kampf vor sich zu haben glauben mußte. Die Australier sind aber nach Aussage aller Reisenden ganz perfecte Schauspieler und bei vorliegender Gelegenheit entwickelten sie ein ganz bemerkenswerthes Talent.
Ihre Angriffs-und Vertheidigungswaffen bestanden in einer Art hölzerner Keule, welche auch für den dicksten Schädel genügen würde, und eine Art »Tomahawk«, einem spitzen, sehr harten Steine, der zwischen zwei Stäben durch einen Klebstoff befestigt war. Diese Hacke hat einen zehnfüßigen Griff, und ist ein ebenso furchtbares Werkzeug für den Krieg, wie nützlich für die Beschäftigungen des Friedens, und dient je nach Bedarf zum Abhacken der Aeste und der Köpfe, und zum Zerschneiden der Leiber und der Bäume. Alle diese Waffen wurden unter wildem Geschrei von wahnsinnigen Händen geschwungen, die Kämpfer warfen sich auf einander, Einige stürzten wie todt zusammen, Andere erhoben ein Siegesgeschrei. Die Frauen, vorzüglich die älteren, feuerten, wie von der Furie des Krieges besessen, zum Kampfe an, fielen über die falschen Leichname her und verstümmelten sie scheinbar mit einer Wildheit, die auch in der Wirklichkeit nicht schrecklicher erscheinen konnte. Jeden Augenblick fürchtete Lady Helena das Spiel in einen ernsthaften Kampf ausarten zu sehen. Doch gingen die Kinder, die auch daran Theil genommen hatten, dabei nicht frei aus. Die kleinen Knaben und Mädchen, die übrigens noch wüthender erschienen, behandelten sich mit ganz respectablen Ohrfeigen.
Schon währte das Scheingefecht an zehn Minuten, als die Streiter plötzlich inne hielten. Die Waffen entfielen ihren Händen. Ein tiefes Schweigen folgte dem betäubenden Lärmen. Die Eingeborenen verharrten in ihrer zuletzt inne gehabten Stellung, wie die Figuren eines lebenden Bildes. Man hätte sie für versteinert halten können.
Was war die Ursache dieses Wechsels und was veranlaßte plötzlich diese marmorne Bewegungslosigkeit?
Eine Schaar Kakadus wurde in den Kronen der hohen Gummibäume bemerkbar; sie erfüllten die Luft mit ihrem Geschwätz und glichen mit den lebhaften Farben ihres Gefieders einem fliegenden Regenbogen. Die Erscheinung dieser glänzenden Wolke von Vögeln hatte das Gefecht unterbrochen. Die Jagd, welche doch nutzbringender erschien, folgte auf den Kampf.
Einer der Eingeborenen ergriff ein roth gefärbtes, eigenthümlich construirtes Instrument, verließ seine noch immer bewegungslosen Genossen und verfügte sich zwischen Bäumen und Gebüschen näher nach der Gesellschaft der Kakadus hin. Er kroch lautlos dahin, streifte kein Blatt und verrückte kein Steinchen; es war ein gleitender Schatten.
Als der Wilde bis auf geeignete Entfernung nahe gekommen war, schleuderte er sein Instrument in wagerechter Richtung etwa zwei Fuß über den Boden hin. So flog diese Waffe etwa vierzig Fuß weit; plötzlich aber stieg sie, ohne die Erde zu berühren, senkrecht gegen hundert Fuß hoch aufwärts, verletzte ein Dutzend Vögel tödtlich und kam, eine Parabel beschreibend, zu den Füßen des Jägers zurück.
Glenarvan und seine Begleiter waren erstaunt; sie trauten ihren Augen nicht.
»Das war ein ›Boomerang‹! sagte Ayrton.
– Der Boomerang! rief Paganel, der australische Boomerang!«
Wie ein Kind lief er nach dem Instrumente, das er aufhob, um zu sehen, »was denn daran sei.«
Man konnte
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