Die Kinder des Kapitän Grant
aus seinen Träumereien herauszog.
Er horchte aufmerksam und glaubte zu größter Verwunderung die Klänge eines Pianos zu vernehmen. Einige gebrochene langsame Accorde sandten ihre zitternden Schallwellen bis zu ihm hin Es konnte keine Täuschung sein.
»Ein Piano in der Wüste! sagte sich Paganel. Das hätt’ ich doch nimmermehr erwartet!«
Es war wirklich zu erstaunlich, und Paganel mochte lieber annehmen, daß ein fremdartiger Vogel Australiens hier die Töne eines Pleyelschen oder Erard’schen Flügels nachahme.
In diesem Augenblicke aber vernahm man auch eine klangvolle Stimme. Der Pianist wurde von einem Sänger begleitet. Noch immer horchte Paganel voll Mißtrauen, bald aber mußte er die herrliche Melodie erkennen, die an sein Ohr schlug.
Es was
Il mio tresoro tanto
aus Don Juan .
»Potz Blitz! dachte der Geograph, so wunderbar auch die australischen Vogelarten sein mögen, nein, und wären es die musikalischsten Papageien der Welt, aber Mozart können sie doch nicht singen!«
Er hörte das herrliche Werk des Meisters bis zum Ende mit an. Die Wirkung dieser durch die helle Nacht tönenden reizenden Melodie war ganz unbeschreiblich. Lange genoß Paganel dieses unaussprechliche Vergnügen, dann schwieg die Stimme und rings war es wieder still, wie zuvor.
Als Wilson zur Ablösung Paganel’s kam, fand er diesen in tiefes Träumen versunken. Paganel machte dem Matrosen keine Mittheilung; er behielt sich vor, Glenarvan am andern Morgen von dem Gehörten zu unterrichten, und verschwand unter dem Zelte.
Am andern Tage wurde die ganze Gesellschaft durch ein unerwartetes Gebell munter gemacht. Glenarvan erhob sich sogleich.
Zwei prächtige, hochfüßige »Pointers«, wahre Musterexemplare von englischen Vorstehhunden, sprangen am Saum eines kleinen Gehölzes hin und her. Bei der Annäherung der Reisenden wichen sie unter die Bäume zurück und verdoppelten ihr Bellen.
»Sicher ist hier eine Station in der Wüste, sagte Glenarvan, und auch Jäger müssen in der Nähe sein, denn das sind Jagdhunde.«
Schon öffnete Paganel den Mund, um von den Eindrücken der verflossenen Nacht zu berichten, als zwei jüngere Männer sichtbar wurden, welche zwei Racepferde von hoher Schönheit, ganz leibhaftige »Hunters« ritten.
Die beiden Gentlemen in eleganter Jagdkleidung machten beim Anblick der zigeunerartig gelagerten Gesellschaft Halt. Sie schienen sich zu fragen, was die Anwesenheit bewaffneter Männer in dieser Gegend bedeute, als sie auch die Damen bemerkten, welche eben den Wagen verließen.
Sofort stiegen sie von den Pferden und gingen, den Hut in der Hand, auf diese zu.
Lord Glenarvan schritt ihnen entgegen und nannte als Fremder zuerst seinen Namen und Stand. Die beiden jungen Herren verneigten sich, und Einer von ihnen, scheinbar der Aeltere, sprach:
»Mylord, würden diese Damen, Ihre Begleiter und Sie uns die Ehre erweisen, in unserer Behausung auszuruhen?
– Meine Herren –? sagte Glenarvan.
– Michel und Sandy Patterson, Eigenthümer der Hottam-Station. Sie befinden sich schon auf unseren Grundstücken, und haben nur eine Viertelmeile weit.
– Meine Herren, erwiderte Glenarvan, ich möchte eine so zuvorkommend angebotene Gastfreundschaft nicht mißbrauchen …
– Mylord, nahm Michel Patterson wieder das Wort, wenn Sie davon Gebrauch machen, so verpflichten Sie sich nur zwei arme Verbannte, die sehr glücklich sein würden, in ihrer Verlassenheit Ihnen ihre Honneurs machen zu dürfen.«
Glenarvan verneigte sich als Zeichen der Zustimmung.
»Mein Herr, fragte da Paganel, der sich an Michel Patterson wandte, darf ich mir die bescheidene Frage erlauben, ob Sie es waren, der in vergangener Nacht jenes himmlische Lied von Mozart sang?
– Das war ich, mein Herr, erwiderte der Gefragte, und mein Bruder Sandy begleitete mich dabei.
– So genehmigen Sie, fuhr Paganel fort, den aufrichtigsten Glückwunsch eines Franzosen, der ein leidenschaftlicher Bewunderer dieser Musik ist.«
Paganel bot dem jungen Gentlemen die Hand, der sie liebenswürdig annahm. Dann zeigte Michel Patterson den rechtshin zu verfolgenden Weg. Die Pferde wurden der Fürsorge Ayrtons und der Matrosen anvertraut, die Reisenden aber begaben sich, von den beiden jungen Männern geleitet, plaudernd und bewundernd, zu Fuße nach dem Herrschaftshause der Hottam-Station.
Es war ein wirklich herrliches Besitzthum und mit der peinlichen Strenge altenglischer Parks in Ordnung gehalten. Unendliche, mit grauen Staketen umzäunte
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