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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Wiesen erstreckten sich, so weit das Auge reichte. Dort weideten Rinder zu Tausenden und Schafe zu Millionen. Viele Schäfer und noch mehr Hunde hüteten dieses lärmende Heer. Zu dem Gebrüll und Geblöke kam das Anschlagen der Doggen und das scharfe Knallen der Stockwips.
    Nach Westen zu wurde der Blick durch einen Saum von Gummibäumen begrenzt, der bei 7500 Fuß Höhe den Gipfel des Hottam-Berges krönte. Lange Alleen immergrüner Bäume strahlten nach allen Richtungen aus. Da und dort drängten sich dichtere Gehölze von »
grass-trees
« zusammen, Sträuche von zehn Fuß Höhe, die der Zwergpalme ähnlich, aber ganz in ihren langen und schmalen Blättern versteckt waren. Die Luft erschien geschwängert von dem Dufte von Lorbeerbäumen, deren weiße Blumensträuße, die jetzt in voller Blüthe waren, die feinsten aromatischen Gerüche ausströmten.
    Mit den Gruppen dieser prächtigen einheimischen Bäume vermählten sich die hierher verpflanzten Erzeugnisse europäischer Klimate. Der Pfirsich-, Birnen-, Apfel-und Feigenbaum, die Orange und selbst die Eiche wurden von den Hurrahs der Reisenden begrüßt, und wenn diese noch nicht genug erstaunt gewesen wären, in dem Schatten heimatlicher Bäume zu wandeln, so wurde ihre Verwunderung doch durch den Anblick der Vögel erregt, die in den Zweigen hüpften, der »Satin-birds«, mit seidenartigem Gefieder und der »Sericutes«, die halb mit Gold, halb mit schwarzem Sammet geschmückt erschienen.
    Unter Anderen war ihnen zum ersten Male Gelegenheit geboten, einen »Leierschwanz« zu bewundern, nämlich einen Lyravogel, dessen Schwanzfedern die Form von Orpheus’ schönem Instrumente bilden. Er floh zwischen dem baumartigen Farrenkraut daher, und wenn sein Schwanz die Zweige berührte, war man fast erstaunt, die harmonischen Accorde Amphion’s nicht zu hören.
    Lord Glenarvan begnügte sich indeß nicht, die Märchenpracht dieser in der Wüste improvisirten Oase zu bewundern. Er lauschte auf den Bericht der jungen Gentlemen. In England, inmitten der civilisirten Gesellschaft, hätte der Ankömmling seinem Wirthe zuerst mitgetheilt, wo er herkomme und wohin er gehe. Hier glaubten in Folge eines gewissen seinen Gefühles Michel und Sandy Patterson die Pflicht zu haben, sich den Reisenden, denen sie ihre Gastfreundschaft anboten, möglichst bekannt zu geben. Sie erzählten demnach ihre Geschichte.
    Es war die aller jungen, intelligenten und strebsamen Engländer, welche nicht in dem Glauben befangen sind, daß sie der Reichthum der Arbeit enthebe. Michel und Sandy Patterson waren die Söhne eines Londoner Banquiers. Als sie zwanzig Jahre alt waren, hatte das Familienhaupt zu ihnen gesagt: »Hier, Ihr jungen Leute, ist eine Million. Nun geht in eine entlegene Colonie, gründet Euch eine nützliche Beschäftigung und schöpft die Lebenserfahrung aus der Thätigkeit. Habt Ihr gute Erfolge, desto besser; schlägt es Euch fehl, so schadet das nicht viel. Wir werden die Million nicht beklagen, die dazu diente, Euch zu Männern zu erziehen.« Die beiden jungen Leute gehorchten. Sie erwählten in Australien die Colonie Victoria, um die väterlichen Banknoten anzulegen, und hatten keine Ursache, es zu bereuen. Nach drei Jahren war ihr Etablissement in schönster Blüthe.
    Man zählt in den Provinzen Victoria, Neu-Süd-Wales und Süd-Australien mehr als dreitausend Stationen, die einen bewirthschaftet von Squatters, welche Viehzucht betreiben, die anderen von Settlers, deren Hauptthätigkeit die Bodencultur bildet. Bis zur Ankunft der beiden jungen Engländer war das beträchtlichste Besitzthum dieser Art das eines gewissen Jamieson, welches einen Flächenraum von hundert Hectaren bedeckte, und in einer Länge von fünfundzwanzig Kilometern an den Paroo, einen der Zuflüsse des Darling, grenzte.
    Jetzt überragte die Station Hottam jene an Flächengehalt und Geschäftsumfang. Die beiden jungen Leute waren gleichzeitig Squatters und Settlers. Sie verwalteten ihr ungeheures Besitzthum mit seltener Geschicklichkeit, und, was noch schwerer wiegt, mit ungewohnter Energie.
    Man sieht leicht, daß diese Station weit entfernt lag von den Hauptstädten, mitten in der wenig besuchten Einöde des Murray Sie reichte von 146°48’ bis 147° der Länge, das heißt, das Terrain war fünf Stunden lang und breit, zwischen dem Buffalo-Ranges und dem Hottam. An den zwei nördlichen Winkeln dieses gewaltigen Vierecks erhoben sich zur Linken der Berg Aberdeen, zur Rechten die Gipfel des High-Barven.

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