Die Kinder des Kapitän Grant
waren die Geister nur auf das eine Ziel gespannt: den Verkehr mit Asien zu erleichtern, und durch die Westfahrten den Orient zu suchen, mit einem Wort, den kürzesten Weg in’s ›Land der Gewürze‹. Nach diesem Ziel trachtete Columbus. Auf seinen vier Reisen berührte er Amerika an den Küsten von Cumana, Honduras, Moskitos, Nicaragua, Veragua, Costa-Rica, Panama, welche er für Theile von China und Japan nahm, und er starb, ohne von der Existenz des großen Continents Kenntniß zu haben, auf den er nicht einmal seinen Namen vererben sollte!
– Ich will’s Ihnen glauben, lieber Paganel, erwiderte Glenarvan, doch erlauben Sie mir, daß ich überrascht bin und Sie frage, welche Seefahrer haben das Richtige in Hinsicht der Entdeckungen des Columbus erkannt?
– Seine Nachfolger, Ojeda, der ihn schon auf seinen Fahrten begleitet hatte, so wie Vincent Pinzon, Vespuelo, Mendoza, Bastidas, Cabral, Solis, Balboa. Diese Seefahrer befuhren die Ostküsten Amerikas; sie bestimmten ihre Grenzen, indem sie weiter nach Süden drangen, von derselben Strömung getragen, welche jetzt, nach dreihundertundsechzig Jahren, uns fortreißt! Sehen Sie, meine Freunde, wir haben jetzt den Aequator an derselben Stelle durchschnitten, wo Pinzon im letzten Jahre des fünfzehnten Jahrhunderts ihn durchschnitt, und wir nähern uns dem achten Grad südlicher Breite, unter welchem er an Brasilien landete. Ein Jahr hernach gelangte Cabral bis zum Hafen Seguro. Darauf kam Vespuelo bei seiner dritten Fahrt, im Jahre 1502, noch weiter nach Süden. 1508 traten Vincent Pinzon und Solis in Verbindung, zur gemeinsamen Erforschung der Gestade Amerikas, und im Jahre 1514 entdeckte Solis die Mündung des Rio de la Plata, wo er von den Eingeborenen aufgefressen wurde, und mußte Magelhaen den Ruhm zukommen lassen, die Grenzen des Festlands zu finden. Dieser große Seefahrer fuhr im Jahre 1519 mit fünf Fahrzeugen ab, den Küsten Patagoniens entlang, entdeckte den Hafen Désiré, den Hafen San-Julian, wo er sich lange Zeit aufhielt, fand unter’m zweiundfünfzigsten Breitegrad die Enge der elftausend Jungfrauen, welche hernach seinen Namen bekam, und gelangte am 28. November in den Stillen Ocean. Ach, wie mußte er sich freuen, wie schlug ihm das Herz, als er am Horizont ein neues Meer im Sonnenschein funkeln sah!
– Ja, Herr Paganel, rief Robert Grant, begeistert von den Worten des Geographen, ich hätte dabei sein mögen!
– Ich auch, lieber Junge, und ich hätte die Gelegenheit nicht versäumt, wenn mich der Himmel hätte drei Jahrhunderte früher leben lassen!
– Das wäre für uns sehr zu bedauern, Herr Paganel, erwiderte Lady Helena, denn da könnten Sie uns hier die Geschichte nicht erzählen.
– Das hätte dann ein Anderer statt meiner gethan, Madame, und hätte hinzugefügt, daß man die Entdeckung der Westküsten den Brüdern Pizarro verdankt. Diese kühnen Abenteurer waren große Städtegründer. Cusco, Quito, Lima, Santiago, Villarica, Valparaiso und Concepcion, wohin wir jetzt fahren, sind von ihnen angelegt worden. Zu dieser Zeit schlossen sich Pizarro’s Entdeckungen an die Magelhaen’s an, und die amerikanischen Küsten erschienen zur großen Befriedigung der Gelehrten der alten Welt auf den Landkarten.
– Ei, ich, sagte Robert, wäre damit noch nicht befriedigt gewesen.
– Warum denn? erwiderte Mary, und sah ihren Bruder an, der an der Geschichte dieser Entdeckungen eine leidenschaftliche Freude hatte.
– Ja, lieber Junge, warum? fragte Lord Glenarvan mit aufmunterndem Lächeln.
– Weil ich hätte wissen mögen, was für Land noch über der Magelhaen’schen Straße hinaus lag.
– Bravo, mein Freund, entgegnete Paganel, ich hätte auch wissen mögen, ob sich das feste Land bis zum Pol erstrecke, oder ob da ein freies Meer sei, wie Drake, Ihr Landsmann, Mylord, vermuthete. Es ist also ausgemacht, daß, wenn Robert Grant und Jakob Paganel im sechzehnten Jahrhundert gelebt hätten, sie mit Schouten und Lemaire zu Schiffe gegangen wären, zwei Holländern, welche dieses geographische Räthsel zu lösen beflissen waren.
– Waren es Gelehrte, fragte Lady Helena.
– Nein, aber kühne Kaufleute, welchen an wissenschaftlichen Entdeckungen sehr wenig lag. Es bestand damals eine holländisch-ostindische Handelsgesellschaft, welche den ganzen Handel, der durch die Magelhaen’sche Straße getrieben wurde, unbedingt beherrschte. Da nun damals noch kein anderer Weg bekannt war, um auf einer Ostfahrt nach Indien zu kommen, so
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