Die Kinder des Kapitän Grant
loderte ein Vorhang von Flammen vor dem dunkeln Hintergrund des Himmels empor, und durch seine Lücken sah man die Ebene hell im flackernden Widerschein erleuchtet. Glenarvan konnte nun die unzählbare Menge Thiere beurtheilen, welchen es zu widerstehen galt. Die Feuerwand, die ihnen Thalcave entgegengesetzt hatte, reizte nur ihren Zorn, da sie sich so plötzlich aufgehalten sahen. Dennoch kamen einige, gedrängt durch die hinteren Reihen, bis an den Heerd des Feuers heran und verbrannten sich dabei die Tatzen.
Von Zeit zu Zeit wurde ein Gewehrschuß nöthig, um die heulende Heerde abzuhalten und nach Verlauf einer Stunde bedeckten wohl fünfzehn Cadaver die Prairie.
Noch befanden sich die Belagerten in minder gefahrvoller Lage; so lange der Schießbedarf ausreichte, so lange die Schranke des Feuers sich noch vor dem Eingange zur Ramada erhob, war ein Ansturm nicht zu fürchten. Aber später – was sollte geschehen, wenn all’ diese Mittel, die Wolfsbande abzuhalten, ihnen abgingen?
Glenarvan sah Robert an und fühlte, wie sein Herz sich zusammenkrampfte. Er vergaß sich, er selbst, um an den armen Knaben zu denken, welcher einen Muth über sein Alter zeigte. Robert war blaß; aber seine Hand ließ die Waffe nicht los, und er erwartete festen Fußes den Angriff der gereizten Wölfe.
Indeß beschloß Glenarvan, nachdem er ihre Lage kaltblütig bedacht hatte, dieselbe zu beenden.
»In einer Stunde, sagte er, werden wir weder Pulver, noch Blei oder Feuer mehr haben. Nun wohl, so wollen wir diesen Augenblick nicht erst abwarten, um zu einem Entschlusse zu kommen.«
Er wendete sich also gegen Thalcave, sammelte die wenigen spanischen Worte, die ihm sein Gedächtniß bewahrt hatte, und begann mit dem Indianer ein Gespräch, das häufig durch einen Gewehrschuß unterbrochen wurde.
Nur schwierig kamen die beiden Männer dazu, sich zu verständigen. Glenarvan kannte zum Glück die Art und Weise der rothen Wölfe. Ohne diesen Umstand hätte er schwerlich die Worte und Gesten des Patagoniers verstehen können.
Nichtsdestoweniger verging eine Viertelstunde, bevor er Robert Thalcave’s Antwort übersetzen konnte. Glenarvan hatte den Indianer über die gegenwärtige verzweifelte Lage befragt.
»Und was hat er erwidert? fragte Robert Grant.
– Er meinte, daß wir uns, es koste was es wolle, bis zum Anbruch des Tages halten müßten. Der Aguara streift nur in der Nacht herum, wenn der Morgen graut, zieht er sich in seine Höhle zurück Er ist der Wolf der Finsterniß, ein feiges Thier, das den hellen Tag scheut, eine vierfüßige Eule!
– Nun gut, so werden wir uns bis zum Tage vertheidigen.
– Ja wohl, mein Sohn, und das mit Messerstichen, wenn wir es nicht mehr mit Flintenschüssen thun können.«
Schon hatte Thalcave dafür das Beispiel gegeben, und allemal, wenn ein Wolf sich dem Feuer näherte, fuhr der lange bewaffnete Arm des Patagoniers schnell durch die Flammen und kam roth von Blut zurück.
Indessen, die Vertheidigungsmittel gingen zur Neige. Gegen zwei Uhr Morgens warf Thalcave den letzten Arm voll Brennmaterial in’s Feuer, auch blieben den Belagerten nur noch fünf Schuß abzugeben.
Glenarvan sah mit schmerzlichem Blicke umher.
Die rothen Wölfe bei der Verfolgung. (S. 171.)
Er gedachte dieses Kindes, welches anwesend war, seiner Freunde, aller derer, die er liebte. Robert sprach gar nicht. Vielleicht erschien seiner vertrauensvollen Einbildung die Gefahr nicht so drohend. Aber Glenarvan dachte für ihn daran und vergegenwärtigte sich die schreckliche, jetzt fast unvermeidliche Aussicht, lebendig gefressen zu werden! Er war nicht mehr Herr seiner Gemüthsbewegung; er zog das Kind an seine Brust, drückte es an sein Herz und heftete ihm seine Lippen auf die Stirne, während seinen Augen unwillkürlich Thränen entrannen.
Robert sah ihn lächelnd an.
»Ich habe keine Furcht! sagte er.
– Nein, mein Kind, nein, erwiderte Glenarvan, und Du hast Recht damit. In zwei Stunden bricht der Tag an, und wir werden gerettet sein! – Sehr gut, Thalcave, sehr gut, mein wackerer Patagonier!« rief er in dem Augenblicke, als der Indianer zwei sehr große Thiere, die über die feurige Barrière hinüberzukommen versuchten, mit Kolbenschlägen tödtete.
In diesem Augenblick aber zeigten ihm die ersterbenden Flammen des Heerdes auch die ganze Bande der Aguaras, welche in dichten Reihen wie zum Sturme auf die Ramada heranrückte.
Die Lösung des blutigen Dramas näherte sich; das Feuer fiel nach
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