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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Paganel, man muß die Dinge nehmen, wie sie sind. Sind sie gut, desto besser, sind sie schlecht, beachtet man sie nicht. Ich sehe, Sie vermissen den Comfort von Malcolm-Castle?
    – Nein, doch …
    – Ich bin überzeugt, daß Robert vollkommen glücklich ist, sagte Paganel hastig, um sich wenigstens einen Anhänger seiner Theorie zu sichern.
    – Jawohl, Herr Paganel! rief Robert mit lustigem Tone aus.
    – So ist man in der Jugend, erwiderte Glenarvan.
    – Und auch in meinem Alter! entgegnete der Gelehrte. Je weniger Annehmlichkeiten man hat, je weniger Bedürfnisse.
    – Jetzt, sagte der Major, wird Paganel einen Ausfall gegen den Reichthum und das vergoldete Getäfel machen.
    – Nein, Mac Nabbs, antwortete der Gelehrte, aber wenn Sie wollen, werde ich Ihnen bei dieser Gelegenheit eine kleine Geschichte erzählen, die mir gerade einfällt.
    – Ja, ja, Herr Paganel, sagte Robert.
    – Und was soll Ihre Geschichte beweisen? fragte der Major.
    – Was alle Geschichten beweisen, mein lieber Kamerad.
    – Also nicht viel, erwiderte Mac Nabbs. Nun, fangen Sie immerhin an, und erzählen Sie eine der Geschichten, die Sie so gut zu erzählen verstehen.
    – Es war einmal, begann Paganel, ein Sohn des großen Harun-al-Raschid, der war nicht glücklich. Er ging und fragte einen alten Derwisch um Rath. Der weise Greis antwortete ihm, das Glück sei in dieser Welt schwer zu finden. ›Indeß, fügte er hinzu, kenne ich ein unfehlbares Mittel, Dir das Glück zu verschaffen. – Welches ist dies? fragte der junge Prinz. – Du mußt, antwortete der Derwisch, das Hemd eines glücklichen Menschen anziehen!‹ Darauf umarmte der Prinz den Greis, und ging aus, den Talisman zu suchen. Er besuchte alle Hauptstädte der Erde! Er zog die Hemden von Kaisern, Königen, Prinzen und Edelleuten an! Alles vergeblich. Er wurde nicht glücklicher. Nun legte er die Hemden von Künstlern, Kriegern, Kaufleuten an. Dasselbe! So wanderte er viel herum, ohne das Glück zu finden. Endlich kehrte er, verzweifelt, so viel Hemden vergeblich probirt zu haben, eines schönen Tages in den Palast seines Vaters zurück, als er auf dem Felde einen braven Landmann sah, der fröhlich singend seinen Karren schob. ›Da ist doch einmal ein Mensch, der glücklich ist, oder es giebt auf Erden kein Glück.‹ Er trat zu ihm und sprach: ›Guter Mensch, bist Du glücklich? – Ja, antwortete er. – Hast Du weiter keinen Wunsch? – Nein. – Du würdest Dein Loos nicht mit dem eines Königs tauschen? – Niemals! – Verkauf’ mir doch Dein Hemd! – Mein Hemd? Ich hab’ keins!‹«

Fünfundzwanzigstes Capitel.
Zwischen Feuer und Wasser.
    Jacques Paganel’s Erzählung machte sehr tiefen Eindruck.
     

    Die Sonne verschwand in leuchtenden Dünsten. (S. 225.)
     
    Man überhäufte ihn mit Beifall, doch blieb Jeder bei seiner eigenen Ansicht, und der Gelehrte erreichte nur das gewöhnliche Resultat jedes derartigen Gesprächs, nämlich das, Niemanden zu überzeugen. Doch gestand man zu, daß man beim bösen Spiele gute Miene machen und sich mit einem Baum begnügen müsse, wenn man weder Palast noch Hütte habe.
     

    Zwischen Feuer und Wasser. (S. 230.)
     
    Unter solchen Gesprächen war der Abend herangekommen. Nur ein guter Schlaf konnte diesen aufregenden Tag würdig schließen. Die Gäste des Ombu fühlten sich nicht allein durch die Ueberschwemmung ermüdet, sondern besonders durch die Hitze des Tages, welche ganz außerordentlich gewesen war, gedrückt. Ihre beflügelten Gefährten gaben ihnen schon das Beispiel der Ruhe; die Hilgueros, jene Nachtigallen der Pampas, stellten ihren melodischen Gesang ein, und alle Vögel des Baumes waren in dem dunkeln Blätterdickicht verschwunden. Es schien am gerathensten, es ihnen nachzuthun.
    Bevor sie sich aber, wie Paganel sagte, »zu Neste begaben«, erkletterte er mit Glenarvan und Robert die Warte, um noch einmal die wogende Ebene zu überschauen. Es war gegen neun Uhr. Die Sonne war eben in den leuchtenden Dünsten des westlichen Horizontes verschwunden. Diese ganze Hälfte des Himmelsgewölbes war bis zum Zenith wie eingetaucht in warme Dünste.
    Die so glänzenden Sternbilder der südlichen Halbkugel schienen wie von einem seinen Schleier überdeckt und leuchteten nur unsicher. Dennoch unterschied man dieselben deutlich genug, um sie zu erkennen, und Paganel belehrte seinen Freund Robert, auch zum Vortheil seines Freundes Glenarvan, über jene Polar-Zone, deren Sterne so besonders glänzend sind. Unter anderen

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