Die Kinder des Kapitän Grant
den jungen Kapitän ansah.
– O, meine Schwester liebt Sie gar sehr, Herr John, rief Robert, und ich, ich liebe Sie auch!
– Und ich erwidere Dir diese Zuneigung, mein lieber Junge«, antwortete John Mangles, der durch die Worte Robert’s etwas verlegen wurde, wie denn auch eine leichte Röthe über Mary Grant’s Antlitz flog.
Dann setzte John Mangles, der das Gespräch auf einen weniger verfänglichen Gegenstand lenken wollte, hinzu:
»Nachdem ich nun über die Reise des Duncan berichtet habe, möchte Ew. Herrlichkeit uns nicht einige Einzelheiten von Ihrer Ueberlandreise durch Amerika, und von den Thaten unseres jungen Helden mittheilen?«
Nichts konnte Lady Helena und Miß Grant angenehmer sein, als diese Erzählung. Lord Glenarvan beeilte sich, ihre Neugier zu befriedigen. Er erzählte, ohne etwas zu übergehen, die ganze Reise von einem Ocean zum andern. Die Uebersteigung der Anden, das Erdbeben, das Verschwinden Robert’s und seine Entführung durch den Condor, den Schuß Thalcave’s, die Episode mit den rothen Wölfen, die Aufopferung Robert’s, die Geschichte mit dem Sergeant Manuel, die Ueberschwemmung, die Zufluchtsstätte auf dem Ombu, ferner die Erzählung von dem Blitzstrahl, der Feuersbrunst, den Kaimans, der Trombe, der Nacht am Ufer des Atlantischen Oceans – alle diese erfreulichen oder schrecklichen Einzelheiten erregten wechselsweise die Freude oder den Schrecken seiner Zuhörer. Mancher Umstand wurde berichtet, der Robert die Zärtlichkeiten seiner Schwester und der Lady Helena einbrachte; nie fühlte sich ein Knabe so innig und von so enthusiastischen Freundinnen umarmt.
Als Lord Glenarvan seine Erzählung beendet hatte, fügte er hinzu:
»Nun, meine Freunde, denken wir an die Gegenwart; was vergangen, ist vergangen. Die Zukunft gehört uns; kommen wir nun auf Kapitän Harry Grant zurück.«
Das Frühstück war zu Ende; die Theilnehmer sammelten sich in dem Privatsalon der Lady Glenarvan; sie nahmen rund um einen Tisch Platz, der mit Karten und Plänen bedeckt war, und bald war das Gespräch im Gange.
»Meine liebe Helena, sagte Lord Glenarvan, als ich an Bord kam, verkündete ich, daß, wenn die Schiffbrüchigen der Britannia auch nicht mit uns zurückkämen, wir doch mehr als je die Hoffnung hätten, sie wieder aufzufinden. Unsere Reise quer durch Amerika hat uns diese Ueberzeugung, oder besser gesagt, die Gewißheit verschafft, daß das Unglück weder an der Küste des Stillen, noch des Atlantischen Oceans stattgefunden hat. Daraus folgt natürlicher Weise, daß die aus dem Documente hergeleitete Auslegung, wenigstens was dabei Patagonien betrifft, eine irrige war. Zum Glück hat unser Freund Paganel, durch eine Art plötzlicher Erleuchtung, diesen Irrthum bemerkt. Er legte uns dar, daß wir uns auf falschem Wege befänden, und hat das Document in einer Weise erläutert, die jeden Zweifel in uns niederschlug. Es handelt sich hier um das in französischer Sprache geschriebene Document, welches ich Paganel hier zu erklären bitten möchte, damit in dieser Hinsicht Niemand mehr einen Zweifel hege.«
Als sich der Gelehrte in die Lage gesetzt sah, zu reden, that er’s sogleich; er verbreitete sich über die Wortstücke
-gonie
und
indi
- in der überzeugendsten Weise; aus dem Stücke
austral
leitete er mit Nothwendigkeit das Wort Australien ab; er zeigte, daß der Kapitän Grant, indem er Peru verließ, um nach Europa zurückzukehren, auf einem rhedelosen Schiffe durch die südlichen Strömungen des Stillen Oceans bis zu den Ufern Australiens habe verschlagen werden können; kurz, seine geistreichen Hypothesen, seine seinen Schlußfolgerungen errangen sich den vollen Beifall selbst John Mangles, der in solchen Dingen ein schwer zu gewinnender Richter war und sich von phantastischen Ausschweifungen nicht hinreißen ließ.
Als Paganel seinen Vortrag geendet hatte, meldete Glenarvan an, daß der Duncan sofort Australien zusteuern werde.
Indessen wünschte der Major, bevor der Befehl ertheilt würde, die Fahrt nach Osten zu beginnen, noch einige Bemerkungen zu machen.
»Sprechen Sie, Mac Nabbs, erwiderte Glenarvan.
– Es ist nicht meine Absicht, sagte der Major, die Beweiskraft der Argumente meines Freundes Paganel abzuschwächen, noch weniger, sie ganz abzuweisen; ich halte sie für gewichtig, für weise und unserer ganzen Aufmerksamkeit werth, und sie müssen mit gutem Grunde die Basis unserer zukünftigen Nachforschungen bilden. Ich wünsche aber, daß sie einer letzten
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