Die Kinder des Ketzers
Lourmarin und den Waldensern… Ist es wahr, dass Maynier sie einfach alle hat umbringen lassen?»
Verwunderte Blicke von Catarino, Cristino und Frederi Jùli. Das Schweigen der Erwachsenen war so eisig, dass es Fabiou nicht weiter gewundert hätte, wäre das Wasser in den Gläsern gefroren. Dann fuhr Onkel Philomenus auf. «Wer hat das gesagt, hä? Wel340
cher verdammte Häretiker war das? Den Kerl zeige ich an! ‘Raus mit der Sprache, Junge, wer war es?»
Fabiou starrte ihn an mit offenem Mund. «Ich… ich weiß nicht…
ich habe das nur so gehört…» Sein Blick ging unsicher über den Tisch, zu seiner Mutter, die konzentriert ihren Nachtisch zerlegte, zu Oma Felicitas, die Onkel Philomenus mit Blicken beschoss wie weiland die Hydra Herkules, zu Tante Eusebia, auf deren Gesicht ein versonnenes Lächeln lag, und schließlich zu seinem Stiefvater. Das Gesicht des Cavaliés war fast so weiß wie der Teller, auf dem die Reste seiner Süßspeise lagen.
«Vater?»
Frederi hob den Kopf. Seine Augen zuckten zu seinem Schwager hinüber, der ihm böse Blicke zuwarf. «Es waren», er rang nach Luft, «Ketzer. Ketzer, ja.» Er stand hastig auf. «Du entschuldigst mich, Philomenus, ich habe noch zu tun.» Er lief aus dem Raum. Philomenus lehnte sich über den Tisch, betrachtete Fabiou aus Argusaugen. «Du weißt wirklich nicht, wer das gesagt hat? Wirklich nicht?»
Fabiou dachte an den Buous und den Bonieus und schüttelte den Kopf. «Ketzer waren das, jawohl!», rief Onkel Philomenus. «Der Präsident hat das einzig Richtige getan, Gott, wer weiß, was aus uns allen geworden wäre, hätte man diese gottlosen Aufrührer gewähren lassen. Das einzig Richtige!»
Fabiou zog es vor, sich in seinen Eierkuchen zu vergraben. Als die Tafel aufgehoben wurde, drängelte Fabiou sich zu seinen großen Schwestern durch. «Kommt mit ins Studierzimmer!», flüsterte er. «Ich muss euch etwas zeigen, euch und Bruder Antonius, etwas Sensationelles!» Die Mädchen folgten der Aufforderung mit mäßigem Interesse, aber Frederi Jùli war begeistert. Eine halbe Stunde Latein weniger!
Erwartungsvolle Augen blickten auf Fabiou, als die Geschwister und Bruder Antonius wenige Minuten später gemeinsam im Studierzimmer saßen. «Also, was gibt es?», fragte Antonius gespannt.
Fabiou gab zunächst eine Kurzfassung dessen zum Besten, was er über die Antonius-Jünger herausgefunden hatte, wobei er mit Rücksicht auf die empfindsamen Seelen der Damen auf die grau341
sigen Details verzichtete. Dann berichtete er von seinem Zusammentreffen mit Mèstre Ingelfinger, von dem Buch, zu dem dieser ihn geführt hatte, und von den zusammengeklebten Seiten, die er aufgeschlitzt hatte. «Und dort», rief er triumphierend, «fand ich das!» Er zog ein Blatt Papier aus seinem Wams hervor. «Ist nur eine Abschrift», fügte er hinzu. Bruder Antonius hätte ihn gewürgt, hätte er ein Blatt aus einem Buch herausgerissen.
«Was ist das?», fragte Frederi Jùli neugierig.
«Eine Widmung. Aber schaut euch die Namen an, die darunter stehen! Den letzten vor allem! Carfadrael!»
Antonius nahm ihm das Blatt aus der Hand und hob es gegen das Licht. «Comes Ianus», las er vor, «Schionatulander, Augustus, Cosmas, Orléans, Coeur de Lion, Eleazar, Lancelot, Mountagno, Franciscus, Gracchus, Carfadrael.» Er sah auf und blickte Fabiou kopfschüttelnd an. «Was hat das zu bedeuten?»
«Ich weiß es nicht», sagte Fabiou. «Aber dieser Ingelfinger schien sich ziemlich dafür zu interessieren.»
«Bist du sicher, dass er sich für die Widmung interessiert hat, und nicht etwa für das Buch an sich?», meinte Bruder Antonius stirnrunzelnd. «Schließlich hast erst du die Seiten aufgeschlitzt. Ingelfinger kann die Widmung gar nicht gelesen haben.»
«Aber,Jesus,eskanndochkeinZufallsein,dassdieserIngelfinger, der wegen Trostett hierher gekommen ist, in einem Buch liest, in dem auf einer versteckten Inschrift der Name Carfadrael auftaucht, der wiederum in Trostetts Papieren steht», ereiferte sich Fabiou. Bruder Antonius hob die Schultern.
«Was sind das überhaupt für Namen?», fragte Frederi Jùli. «Die sind ja echt komisch.»
«Tja», Antonius räusperte sich, «Comes Ianus – Graf Ianus… Ianus war eine doppelköpfige Gottheit bei den alten Römern in ihrer heidnischen Zeit. Er stand für den Jahreswechsel, aber auch dafür, dass alles im Leben zwei Seiten hat. Schionatulander –»
«Den kenne ich, das ist einer aus der Gralssage!», rief Catarino
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