Die Kinder des Ketzers
dazwischen, und schnippisch fügte sie an: «Das weiß ich von Vater!» Fabiou verdrehte die Augen.
«Augustus kenne ich!», rief Frederi Jùli stolz. «Das war ein römischer Kaiser!»
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«Cosmas ist ein Heiliger, oder?», fragte Fabiou nachdenklich.
«Ja. Damian und Cosmas, die Schutzheiligen der Mediziner, die einem Einbeinigen das Bein eines Toten annähten», erklärte Antonius. «Orléans… Orléans kenne ich nur als Stadt. Die Stadt des großen Sieges von Jeanne d’Arc gegen die Engländer. Coeur de Lion… Richard Coeur de Lion von England fällt mir dazu ein, ein englischer König, Kreuzfahrer und Dichter. Lancelot…»
«Das ist wieder einer aus der Gralssage!», schrie Catarino restlos begeistert.
«Dann Eleazar. Eleazar war ein jüdischer Heerführer, der einen Aufstand der Juden gegen die Römer anführte und sich mit all seinen Getreuen in einer Festung namens Masada das Leben nahm, nachdem ihr Kampf verloren war…», meinte Antonius. «Was jetzt allerdings Mountagno bedeuten soll…» Antonius kratzte sich am Kopf.
«Mountagno heißt eben Berg, mehr nicht.» Fabiou zuckte mit den Achseln. «Franciscus war ein Heiliger und Ordensstifter, und Gracchus ein römischer Politiker, der irgendwelche Reformen gemacht hat, oder?»
Antonius nickte. «Und eben Carfadrael», sagte er. «Zwölf Namen, die absolut nichts miteinander zu tun haben.»
«Dreizehn – du vergisst Magister Morus», verbesserte Fabiou.
«Wieso? Ich denke, das ist der, der das Buch geschrieben hat?», fragte Frederi Jùli erstaunt.
«Mann, Thomas Morus, der das Buch geschrieben hat, ist seit ewigen Zeiten tot, und der Druck ist auf 1542 datiert! Das kann unmöglich derselbe Morus sein!», widersprach Fabiou. «Ich sage, es sind dreizehn.»
«Dreizehn.» Die Grabesstimme, die dieses Wort hauchte, gehörte eindeutig zu Cristino, die am Tisch saß und mit zitternden Fingern an ihrem Medaillon herumspielte. «Die Teufelszahl.» Fabiou warf ihr einen verständnislosen Blick zu.
«Scienti splendido letterato magnifico & optimo omnium amicorum. Vivat sodalitas & in aeternum amicitia nostra», las Bruder Antonius nachdenklich. «Dem glänzenden Wissenschaftler, großartigen Gelehrten und besten aller Freunde. Es lebe die Bruder343
schaft und in Ewigkeit unsere Freundschaft.» Er schüttelte heftig den Kopf. «Was für eine Bruderschaft? Was bedeutet das alles?»
«Irgendein Sinn muss hinter all dem stehen!», meinte Fabiou.
«Irgendein System… also, wir haben zwei Heilige, Cosmas und Franciscus. Und zwei römische Staatsmänner, Augustus und Gracchus. Zwei Gralsritter, zwei Ortsangaben – Orléans und Mountagno, zwei Engländer – Coeur de Lion und Morus, und zwei hebräisch klingende Namen – Eleazar und Carfadrael.» Er seufzte enttäuscht. «Wenn es noch einen zweiten römischen Gott gäbe, würde es passen.»
«Gibt es aber nicht», meinte Antonius trocken. «Überhaupt finde ich die Beziehungen, die du zwischen diesen Namen herstellst, ziemlich an den Haaren herbeigezogen.»
«Also, ich glaube immer noch, dass Carfadrael einer aus der Gralssage ist», erklärte Catarino vehement.
«Catarino, hör endlich mit deinem Gralsmist auf, du machst mich wahnsinnig!», schrie Fabiou.
Catarino starrte ihn einen Moment lang mit offenem Mund an, dann schrie sie: «Ach, spiel dich nicht immer so auf!», und stürzte aus dem Zimmer.
«Blöde Kuh!», meckerte Fabiou. «Der Mann, den die mal kriegt, tut mir leid! Falls sie auf diese Weise überhaupt einen abbekommt!
Also, lasst uns weitermachen…»
«Fabiou, glaubst du ernsthaft, dass diese komische Namensliste uns in irgendeiner Form weiterbringt?», fragte Bruder Antonius kopfschüttelnd. «Bei der heiligen Jungfrau, es gibt Tausende Erklärungen dafür, warum dieser Ingelfinger in diesem Buch gelesen hat. Und sie müssen alle nicht im Zusammenhang mit den Morden stehen. Und das gleiche gilt für deine Theorie bezüglich des jungen Nicoulau. Es gibt nicht den geringsten stichhaltigen Hinweis darauf, dass er noch am Leben sein sollte, außer das sein Schicksal in den Stadtannalen nicht erwähnt wird. Mein Gott, wahrscheinlich hat der Stadtschreiber ihn einfach vergessen!»
«Dieser Pedant? Glaube ich nicht!», rief Fabiou aus. «Er hat doch auch sonst alle erwähnt!»
«Er hat eine Menge Leute erwähnt. Ob es alle waren, weißt du nicht», korrigierte Bruder Antonius. «Und selbst wenn er den jun344
gen Nicoulau absichtlich nicht erwähnt hat, heißt das nicht unbedingt,
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