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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Zufall. Es gab zwei Regeln für die Durchquerung der Coumbo: möglichst bei Tag und mit möglichst vielen Männern, und nachdem seine Privatarmee aus ihm selbst und fünf kampfunerprobten Dienern bestand, hatte er frühzeitig bei den Nachbarn vorgesprochen zwecks Bildung einer Reisegemeinschaft. Die von Bonieus hatten zunächst zu-, später aber wieder abgesagt, da sie doch erst im Mai nach Ais reisen wollten, die von Buous erst ab-, letztlich aber doch zugesagt, und so war vereinbart worden, sich in einer Schenke unterhalb von Bonieus, kurz vor dem Abstieg in die Schlucht zu treffen, um den entscheidenden Teil der Reise gemeinsam zu wagen. Die von Buous hatten eine ordentliche Gruppe von Waffenknechten, die ihren Zug sichern würden; in ihrer Gesellschaft war man wohl vor unangenehmen Überraschungen sicher. Als sich die Wagen den steilen Hügel hinuntergekämpft hatten und der alte Bardou die Kutsche mit einem erleichterten Gebenedeitseistdumariamuttergottes nach rechts auf die Straße nach Menerbo lenkte, erschienen die düsteren Gründe der Schlucht des Aigo Bruno freilich so fern wie das himmlische Jerusalem. Ringsum die Ebene erblühte in der verschwenderischen Fülle des Frühlings, eine Welt aus strahlendem, leuchtendem Grün. Die Wiesen zu beiden Seiten der Straße, das frisch gesprossene Korn, die Blattknospen, die sich an den Bäumen entfalteten, alles war gewoben aus reinem grünem Licht, Smaragde waren in die Kronen der Bäume gepflanzt, die Erde bedeckt mit einem Mantel aus grünem Samt. Als rote Farbtupfer war der Klatschmohn in dieses Meer aus Grün gepinselt, in dem die Butterblumen wie gelbe Inseln schwammen, und die Sträucher am Wegrand erblühten in weiß und rosé und lilac, und über allem lag eine Halbkugel geschliffen aus einem einzigen, gigantischen Saphir, der strahlend blaue Himmel. 41
    Ein Tag, den Gott nur aus einem Grund geschaffen haben konnte: damit sich ein Dichter fände, ihn zu besingen, sagte sich Fabiou, der Poet.
    Die Stimmung in der Gesellschaft war entsprechend ausgelassen, bei der Familie ebenso wie bei der Dienerschaft. Insbesondere die jüngeren Dienstboten, die bisher nie weiter als bis Ate gekommen waren und für die diese Fahrt das Abenteuer ihres Lebens war, befanden sich in einer Stimmung, die sonst bestenfalls ab dem fünften Glas Wein zu erreichen war. Sie, die Jungen, hatten sich größtenteils in einem Wagen versammelt, hockten vorne auf dem Bock oder hinten über der Hinterachse, Jacque, der jüngere Sohn des Kutschers, und Bertran, der Kammerdiener, und Maria, die Zofe, und Marietta, die zehnjährige Tochter des älteren Kammerdieners und der Küchenmagd Beata. Sie saßen dort zusammen, ließen die Beine baumeln, alberten und lachten und sangen – züchtige Lieder natürlich, die Herrschaft hörte schließlich mit – und winkten den Bauern zu, die auf den Feldern zu beiden Seiten ihre Arbeit verrichteten. Die Bauern betrachteten sie aus verständnislosen Augen und zogen den Hut und verneigten sich vor den hohen Herrschaften, die vorbeizogen.
    In Fabious Kopf formten sich Worte, reihte sich Zeile an Zeile, Vers an Vers. Sie war nur eine Handbreit entfernt, die Muse, wirklich.
    In der Kutsche ging es nicht minder vergnüglich zu. Frederi Jùli hatte sein Steckenpferd zwischen die Knie geklemmt und simulierte auf dem schwankenden Sitz eine Reiterattacke – «gegen die Kaiserlichen» –, und ab und zu lehnte er sich aus dem Fenster und führte einen Schwertstreich gegen Fabiou aus, der neben der Kutsche ritt
    – «Aaaahhh! Du bist tot, Türke!» «He, petit , ich dachte du kämpfst gegen die Kaiserlichen!». Die Kinderfrau versuchte derweil, Maria Annos Wortschatz zu erweitern. «Blümlein», sagte sie, und «Hoppepferd» und «Vögelchen», und Maria Anno wiederholte: «Lüleim»
    und «Hoppefe» und «Vöchelen». «Nein, ist sie nicht klug», sagte die Kinderfrau. «Sie spricht wie ein Türke. Stirb, Türke», sagte Frederi Jùli und zielte mit der Spitze seines Degens auf Maria Annos Brust. Maria Anno lachte und klatschte in die Hände, und die Dame Castelblanc sagte, ich werde gleich böse, Frederi! «Fedei», sagte Maria 42
    Anno, womit sie ihren Bruder meinte, und «Miano», was sie selbst bezeichnete. Catarino, durch ihre Zwillingsschwester glücklich von Frederi Jùli getrennt, hatte den Kopf aus dem Fenster gelehnt und ließ sich den Wind über ihr Gesicht und die Sonne durch das Haar streichen, das heller flammte als der Klatschmohn. Nur Cristino saß

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