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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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    die Menschen, bis sie sich entspannten und ihr fiebriges Tänzeln nachließ. Ruhig gab er den Pferdeknechten seine Anweisungen, noch ein bisschen Wasser für die Tiere, aber nicht zu viel, sonst bekommen sie Krämpfe beim Laufen, und hast du die Decken eingepackt, Loís, für später, und Jacque, überprüf’ noch mal die hintere Deichsel, so ganz gefällt mir das nicht. Die beiden gehorchten ohne zu murren, sie waren erstens seine Untergebenen und zweitens seine Söhne. Damit zog Bardous ganze Familie nach Ais; eine Frau gab es nicht mehr, denn Bardous Eheweib war im Kindbett verblutet, als sie Jacque geboren hatte, und sein greiser Vater war vor zwei Jahren gestorben.
    «Mein Degen, ich habe meinen Degen vergessen!», schrie Frederi Jùli und flitzte die Treppe hinauf. Der Cavalié de Castelblanc schritt nach draußen. Er hatte seinen Degen umgegürtet, eine gebauschte Haube aus grünem Samt auf dem Kopf, einen ebenfalls grünen Mantel um die Schultern gelegt, denn noch waren die Morgen kühl und die Strahlen der Sonne zu schwach, das Land zu erwärmen. Hinter ihm huschte die Dame Castelblanc aus der Tür; ihr Mundwerk stand nicht einen Moment still, während sie ihre drei Töchter und die Kinderfrau auf die Kutsche zuscheuchte. «Frederi Jùli!», schrie sie ins Haus zurück. «Frederi Jùli, komm endlich!» Der Diener, der die Kutschentür aufhielt, machte eine ehrerbietige Verbeugung und reichte ihr die Hand. Die Augen der Dame schwammen in Tränen, als sie sich ein letztes Mal zum Haus umdrehte. «Ob ich es wohl je wiedersehen werde?», flüsterte sie aufgelöst, dann ließ sie sich von dem Diener auf das Trittbrett und in die Kutsche helfen, wo sie sich aufseufzend in die Kissen sinken ließ. «Agato, komm, du sitzt neben mir, mit dem Kind! Catarino, Cristino, kommt endlich!»
    «Ach, ich bin ja so aufgeregt!», tuschelte Catarino ihrer Zwillingsschwester zu, die mit gesenktem Kopf neben ihr über den Hof schlurfte, alle Eleganz und Anmut vergessend, zu der sie die Mutter erzogen hatte. «So aufgeregt bin ich. Oh, das ist ein jour mer- veilleux , Cristino, wirklich!» Cristino schniefte und verwischte das Puder um ihre Augen.
    Jetzt nahm der Cavalié dem Pferdeknecht die Zügel seines Fuchses aus der Hand und schwang sich in den Sattel. Es war ein 37
    edles Tier, elegant in der Bewegung und kraftvoll im Wuchs. Die Stallburschen hatten das seidige Fell auf Hochglanz gestriegelt und den Sattel aus rotem Wildleder ausgebürstet, dass er aussah wie neu, und der Cavalié, zurückgelehnt im Sattel, die Zügel fest in den Händen, bot ein stattliches Bild.
    Im Obergeschoss flog ein Fenster auf. «Mama, ich kann meine Armbrust nicht finden!», pläkte Frederi Jùli zum Fenster hinaus.
    «Frederi, komm jetzt endlich, wir wollen fahren!», jammerte die Mutter.
    «Aber meine Armbrust…»
    «Frederi, du kommst jetzt hier ‘runter, oder es setzt was!», brüllte der Cavalié.
    «Ach Mann…» Frederi Jùlis Kopf verschwand wieder.
    «Soll er doch hier bleiben!», meinte Catarino, während sie, die Hand in vollendeter Eleganz auf die des Dieners gestützt, ins Innere der Kutsche kletterte und sich neben Cristino auf die samtenen Kissen der Sitzbank fallen ließ. «Dann geht er uns wenigstens nicht den ganzen Sommer auf die Nerven.»
    «Catarino, benimm dich!», rief die Dame Castelblanc ärgerlich. Ihre Tränen waren offensichtlich bereits wieder getrocknet. «Und du, Cristino, zieh doch nicht so ein Gesicht! Das macht Falten!
    Überhaupt, freust du dich denn gar nicht auf Ais? Immerhin wirst du in die Gesellschaft eingeführt! Ich in deinem Alter konnte vor meiner ersten saison nicht an mich halten vor Freude…»
    Jetzt kam Frederi Jùli aus der Tür gehüpft, den Holzdegen im Gürtel, den Köcher mit den Bolzen über der Schulter, im Arm die Armbrust und sein Steckenpferd. «Ich komme ja schon!», rief er.
    «Wird auch langsam Zeit», sagte der Cavalié stirnrunzelnd, während Frederi Jùli unter Auslassung der Trittstufe ins Innere der Kutsche sprang, wo er sich neben Catarino setzte und ihr gleich den Degen gegen das Schienbein stieß. «Nein!», rief Catarino kategorisch. «Das kann kein Mensch von mir verlangen, dass ich bis Ais neben dieser Landplage sitze! Cristino, komm, wir tauschen die Plätze, ich will ans Fenster!»
    «Ich bin auch am Fenster, bäh!» Frederi Jùli streckte ihr die Zunge heraus. 38
    «Benehmt euch, oder ich sage es eurem Vater!», schimpfte die Dame.
    Draußen reichte Loís Fabiou

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