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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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der nächsten Woche wieder dorthin aufbrechen… mit den beiden jungen Herren im Übrigen. Ein Sommer in Aix ist das Richtige für das Jungvolk, nicht wahr?» Er lachte, ein seltsames, emotionsloses Lachen, das seine Zähne entblößte, ohne im übrigen Gesicht eine Andeutung von Freude aufkommen zu lassen.
    «Oh, wie erfreulich.» Die Dame Castelblanc schenkte dem jungen Alexandre ein bezauberndes Lächeln. Vermutlich überlegte sie, wie sich ihre Töchter als Barouno von Mergoult machen würden.
    «Ihr werdet uns doch in unserem Stadthaus beehren, wenn ihr in… Aix seid, Baroun de Mergoult?»
    Mergoult neigte galant sein Haupt. «Wenn Madame gestatten…»
    Und dann geschah es. Die Klimax. Der jüngere Mergoult, vom Verlauf der Unterhaltung gelangweilt, hatte sein Pferd nach rechts gewandt, so dass er auf die andere Seite der Kutsche geriet, wo Fabiou sich in Eile zur Kutsche herunter beugte in dem Versuch, sein Gesicht hinter den grünen Samtvorhängen zu verbergen. Etwas streifte sein Bein. Jean de Mergoults Steigbügel. «Na, Castelblanc?»
    Oh merde .
    Oh gottverdammte Scheiße.
    Er hob den Kopf. «Tag, Mergoult», sagte er mit der Würde eines Ritters auf dem Weg in den letzten Kampf.
    Der andere grinste. «Na so was. Der Herr Poet! Das ist ja eine Überraschung! Hab’ gar nichts mehr von dir gehört, dachte, du wolltest bis Ende des Jahres Ronsard den Rang ablaufen, war’s nicht so?»
    Fabiou ließ einen abschätzigen Blick über seinen Gegner gleiten. Mergoult trug einen Wams aus feinstem Leder sowie einen 45
    hochmodernen Federhut aus venezianischer Fertigung und, na, ist man nicht beeindruckt, einen Degen an seiner Seite, einen echten Degen wie ein echter Mann, nein, wie erwachsen. Allzu lang hatte man ihm diese Ehre wohl noch nicht zugestanden, er saß schief auf seinem Pferd, die linke Hüfte dem Betrachter zugedreht, die linke Hand hinter dem ziselierten Korb der Waffe, so dass diese jedem schon aus weiter Entfernung ins Auge fallen musste, und die Haltung des Jünglings, das stolz gereckte Kinn, die hervorgestreckte Brust, taten ein Übriges, machten jedem unmissverständlich klar, Jean de Mergoult, Cavalié und Bruder des Baroun de Mergoult, war ein Ritter, ein Krieger, ein Mann.
    Sie hatten ihn damals erwischt, auf der Festgesellschaft bei den Bonieus, Jean de Mergoult und seine Kumpanen. Das kam davon, wenn man seine Schwestern auf so eine langweilige Festivität begleiten musste, voller kichernder halbwüchsiger Mädchen, die in tiefausgeschnittenen Ballkleidern mit Perlen und Edelsteinen behängt durch den Ballsaal tänzeln und sich von ein paar pickeligen Jungs im Seidenwams den Hof machen lassen. Er hatte ziemlich schnell die Nase voll gehabt von dem Getuschel der Gören, den großspurigen Reden der Burschen und dem eintönigen Geschramme der Cornetten, die den ganzen Abend lang zur Begeisterung aller übrigen Beteiligten dieselben drei abgedroschenen Tanzmelodien herunterdudelten, und spätestens als er Cristino entdeckte, die mit Kuhaugen zu Arman de Mauvent aufsah und seine Angebereien mit verzückten Ausrufen kommentierte, hatte er beschlossen, der fröhlichen Gesellschaft den Rücken zuzukehren, und hatte sich in eine Fensternische zurückgezogen, sein Büchlein und den Kohlestift gezückt und ein paar Verse gekritzelt. Sein Pech, dass Jean de Mergoult und seine Freunde an jenem Abend nicht allzu gut bei der Schar der anwesenden Damen ankamen, so dass in ihnen schließlich die Langeweile wuchs und damit der Wunsch, andere zu drangsalieren. Sein Pech, dass sie in dieser Situation ausgerechnet über ihn stolpern mussten. «Was machst du denn da?», hatte Mergoult gefragt, und bevor Fabiou zu irgendeiner Reaktion fähig gewesen war, hatte er ihm das Buch aus der Hand gerissen und zum großen amusement der übrigen Jungs begonnen, aus Fabious Werken vorzulesen. 46
    Es war ihm schließlich gelungen, sein Buch zurückzuerobern, aber der Abend war vollends zur Tortur geworden. Er war blamiert; die ganze Festgesellschaft machte sich über ihn lustig, «Monsieur le Poète!» nannten ihn die Jungs mit einer affigen Verbeugung, und die Weiber kicherten dazu. Mit dir kann man nirgendwo hingehen, du machst einen nur lächerlich, schimpfte Catarino, als sie spät nachts nebeneinander in der Kutsche saßen und in Richtung Heimat schaukelten.
    Fabiou schenkte Mergoult einen kühlen Blick. Der Weise erträgt würdevoll den Spott der Masse, spricht Sokrates. «Ich arbeite daran», sagte er. «Im Übrigen

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