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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Eine Pause, wir machen eine kleine Pause, sagte er.Alles kletterte aus den Wagen. Die Diener ließen sich am Straßenrand nieder, packten ihren Reiseproviant aus. Cristino stieg aus der Kutsche. Vor ihr das Feld, grüne Keime und roter Klatschmohn, wie in Trance stolperte sie über den unebenen Boden am Wegesrand. Von fern der Klang einer Kirchenglocke, die Zeit kündend und die Ewigkeit. Ein Rinnsal plätschernd zwischen zwei Feldern, das Spiegelbild darin war das tote Mädchen in der Durenço. Sie sank auf den Stamm eines umgestürzten Baumes und ließ die Welt vor ihren Augen verschwimmen.
    «Bonjour, Mademoiselle. Un matin éblouissant, n’est-ce pas?
    – Guten Tag, mein Fräulein. Ein wunderschöner Morgen, nicht wahr?»
    Cristino fuhr auf und starrte auf einen großen braunen Hengst, der den Kopf in den Graben gesenkt hatte und von dem klaren Wasser schlürfte. Und auf den Reiter auf dem Rücken des Tieres. Er war gekleidet nach der neuesten Pariser Mode, eng die Beinkleider, gebauscht die Rockschöße, dazu den weißen gefalteten Stehkragen, und darüber einen Mantel geworfen, der, obwohl von einfachem Schnitt und ohne unnötigen Zierat, aus feinstem blauen Samt war. Auf seinem hellen Haar thronte ein Federhut, keine bauschige Kappe, wie sie Frederi trug, nein, ein breitkrem51
    piger, elegant geschwungener Hut aus edlem Leder, über dem verwegen der weiße Federbusch wippte. Im Schatten der Krempe ein junges, aber entschlossenes Gesicht, helle Augen, dunkle Brauen, eine scharf geschnittene Nase. Eine Aura der Kühnheit und des Wagemuts umgab diesen jungen Reiter, und Cristino konnte nicht anders als aufstehen und einen unbeholfenen Knicks machen, das Totengesicht im Wasser völlig vergessen.
    Mit einer eleganten Bewegung schwang sich der junge Edelmann vom Pferd, war mit einem Satz über den Graben und kam neben Cristino zum Stehen. «Sébastien Darvot, Comte de Trévigny», stellte er sich vor, ergriff Cristinos Hand und drückte ihr mit einer anmutigen Verneigung einen Kuss auf die behandschuhte Rechte.
    «Äh… ähm… Cristino de Bèufort… äh… Enchanté…» Sie kam sich unsagbar dämlich vor. Als ob sie nie zuvor ein französisches Wort gesprochen hätte.
    «A votre service – zu Euren Diensten», sagte der Fremde mit einer neuerlichen Verneigung, ohne auch nur einen Moment Cristinos Hand loszulassen. Jemand näherte sich von links. «Monsieur?» Frederi, natürlich. Cristino spürte ihre Finger in der Hand des Fremden prickeln, zog rasch den Arm zurück und hoffte, dass die Puderschicht ausreichte, die heranflutende Röte in ihrem Gesicht zu verbergen.
    «Votre père, Mademoiselle – Euer Vater?» Der Edelmann zog den Hut, auch dies eine Bewegung von formvollendeter Eleganz.
    «Wer seid Ihr, mein Herr?», fragte Frederi misstrauisch, bevor Cristino die Gelegenheit zu einer Antwort hatte. Der fragende Blick des Fremden erst machte ihm bewusst, dass er in seiner gewohnten Sprache gesprochen hatte, und, ebenfalls leicht errötend, besann er sich auf seine Bildung und wiederholte die Frage in der bonne langue françoise , in seinem mehr als akzentgefärbten Französisch. «Qui êtes-vous, Monsieur?»
    «Er ist ein Graf», erklärte Cristino fasziniert. «Der Comte de Trévigny.» Ein Blick aus Frederis farblosen Augen erinnerte sie daran, dass es ihr nicht anstand, sich derart in die Unterhaltung einzumischen.
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    «Zu Euren Diensten», wiederholte der Edelmann mit einer angedeuteten Neigung des Kopfes. «Seid Ihr der Vater dieser reizenden jungen Dame?»
    «Der Vormund», antwortete der Cavalié, die Brauen noch immer misstrauisch gerunzelt. «Frederi de Castelblanc, Cavalié», stellte er sich dennoch vor.
    «Castelblanc, Castelblanc… verzeiht, aber von diesem Ort habe ich noch nie gehört», meinte der Fremde entschuldigend.
    «Es ist nicht weit von hier – gleich dort hinter dem Hügel!», erklärte Cristino eifrig, erneut den Anstand vergessend.
    «Ich habe auch noch nie von einer Grafschaft Trévigny gehört», konterte Frederi. Sein Gesicht hatte sich weiter verfinstert. Der Comte de Trévigny lächelte, sei es aufgrund der Unwissenheit oder der katastrophalen französischen Aussprache des Cavaliés. «Champagne», erklärte er, «eine Tagesreise östlich von Paris. Kein großes Land, aber unser.» Sein Lächeln war gewinnend. Charmant .
    Jetzt kam die Dame Castelblanc herangeschwebt, etwas unbeholfen in ihren spitzen Samtschuhen auf dem unebenen Untergrund balancierend. «Monsieur?»

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