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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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erblicken, der heilige Christophorus mit dem kleinen Christus auf der Schulter, und sie schritt über eine Schwelle, und dort sah er ihr entgegen, Christophorus, gütig lächelnd, und pummelig und winkend das Jesuskind. Dann, wieder eine Tür, Gelächter und Stimmen empfingen sie. «Cristino, da bist du ja endlich!»
    Es war nur Catarino. Cristino schwankte, so offensichtlich, dass nicht einmal Catarino es übersehen konnte, die ihre Augen eigentlich eher bei so erfreulichen Anblicken wie Jean de Mergoult oder Sébastien de Trévigny hatte. «He, ma petite , was ist los, du siehst ja aus, als hättest du einen Geist gesehen!», meinte sie kopfschüttelnd.
    «Dieses Haus… oh Gott, Catarino, dieses Haus…»
    «Ja, es ist ganz schön altmodisch, das finde ich auch», erklärte Catarino.
    «Neiiiin! Das meine ich nicht! Es ist…» Sie rang nach Luft. Sie war so weiß wie der Tod. «Verwunschen», flüsterte sie. Ein Aufschrei, Frederi kam auf sie zugestürzt. «Ein Glück, du bist hier!», keuchte er. «Ich habe dich schon überall gesucht, dumme Göre! Wehe, du bleibst jetzt nicht in meiner Sichtweite!» Cristino war nicht in der Lage, etwas anderes zu tun, als zu nicken. Da kam Victor strahlend auf sie zugelaufen. «Cristino – schön, dass Ihr da seid. Ich darf Euch doch zum buffet führen?»
    Nichts beruhigt die Nerven so sehr wie eine Kombination aus Cremetörtchen und Rotwein. Mit jedem Bissen ließ das Zittern etwas nach, und ein paar höchst artige Komplimente von Sébastien de Trévigny taten ein Übriges. Cristino spürte, wie ihr Herzschlag sich beruhigte. Einbildung, alles Einbildung, dachte sie, das ist die Aufregung, ganz bestimmt. Alessia tauchte wieder auf, ein 472
    höchst zufriedenes Grinsen auf ihren karmesinroten Lippen, und Musikanten spielten zum Tanz auf, eine Gaillarde, eine Gaillarde, jauchzte Catarino und schleifte den armen Jean de Mergoult auf die Tanzfläche, und Cristino ließ sich nur zu bereitwillig von Sébastien ebenfalls entführen. Wo war eigentlich Alexandre de Mergoult? Er war ihr doch nicht am Ende böse? Als ob sie etwas dafür konnte! Und Couvencour? Nun, ihretwegen konnte er bleiben, wo der Pfeffer wächst!
    Sie war schon fast so weit, daran zu glauben, dass ihre Erlebnisse in den Gängen des Bauwerks wirklich nur das Resultat ihrer überschießenden Einbildungskraft waren, für die man sie ja schon des Öfteren getadelt hatte, als etwas geschah, was schrecklicher war als alles, was dieser Tag bisher für sie bereitgehalten hatte. Victor hatte sie zum Tanz aufgefordert, und da er nur ein mäßiger Tänzer war, konnten sie nicht mit den anderen Tänzern mithalten und rempelten schließlich gegen die Wand. «Entschuldigung», krächzte er verlegen, «ich habe schon eine Weile nicht mehr getanzt, wisst Ihr…»
    Sie lächelte versöhnlich. «Oh, das macht doch nichts, es ist ja schließlich auch schwer, bei der Enge und all den Leu…» Sie brach ab.Der Raum war zum Kreisel geworden, wie ihn die Kinder auf dem Marktplatz antrieben. Cristino hob die Hände und berührte damit ihr erhitztes Gesicht, und stumm wurde das Gelächter, schwarz das kreiselnde Farbenspiel. Nichts existierte mehr auf dieser Welt als das Bild vor ihr an der Wand. Es zeigte einen Mann, der ihr vage bekannt vorkam. Auf seinen Knien saß ein kleines blondes Mädchen mit einem fröhlichen Kleinkindergesicht, das ein kurzes, weißes Kleid trug. Ein kleines Mädchen mit einem sternförmigen Muttermal auf der Stirn und einem silbernen Medaillon um den Hals, das eine gütige Mutter Gottes und ein lächelndes Jesuskind zeigte.
    Weit weg war die Welt, das Fest, die Musik. Weit weg war auch Victors Stimme, die leise sagte: «Ein schönes Bild, nicht wahr? Es ist das letzte, das von ihnen existiert. Das ist mein Onkel Hector und seine jüngste Tochter, Agnes Degrelho.»
    ***
    473
    Cristino lag auf einem Diwan in einem Nebenraum, der so aussah, als sei er eigens dazu konzipiert, ohnmächtigen Damen Ruhe zu bieten, während die Dame Castelblanc ihr mit einem Fächer Luft zuwedelte. «Diese Hitze, da drinnen, da muss einem jungen Mädchen ja schlecht werden!», sagte sie mit ihrem glockenhellen Lachen. Ringsum standen die Herren, Sébastien de Trévigny, Victor und Archimède Degrelho, der der Gastgeberpflicht genügend sofort herbeigeeilt war, Fabiou und der Cavalié de Castelblanc, der nicht von Cristinos Seite wich – offensichtlich hatte er gewaltige Angst, sie könnte noch einmal verloren gehen – und den Baroun

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