Die Kinder des Ketzers
von Hector Degrelho derselbe ist, der Trostett, Servius, Bossard und Austelié umgebracht hat, er mag nun ein Antonius-Jünger sein oder nicht. Und dass Hector Degrelhos Mörder sicher nicht Joan lou Pastre hieß», erklärte Fabiou.
Victor stand auf. Er war ziemlich blass um die Nase. Langsam lief er zum Fenster und starrte auf die Carriero de Jouque hinaus.
«Du meinst, der Mörder meines Onkels läuft noch frei herum?», 489
krächzte er. «Du meinst, alles was mein Vater getan hat, war umsonst, und Joan lou Pastre ist unschuldig gestorben?»
«Na ja, unschuldig ist so eine Sache bei einem notorischen Räuber – aber ich denke, ja, am Tod deines Onkels war er unschuldig.»
«Herr Gott im Himmel», flüsterte Victor. «Wenn das stimmte
– mein Gott… Aber… Fabiou, deine Argumentation in Ehren, doch sie stützt sich einzig und allein auf die Aussage eines Bauern!
Und selbst wenn er die Wahrheit gesagt hat – ein anderes Mitglied der Antonius-Jünger könnte bei der Ermordung meines Onkels geschrieben haben. Und vielleicht ist dieser Kerl ja tatsächlich noch am Leben und für unsere Morde verantwortlich.»
«Der Bauer hat gemeint, nur ein einziger Antonius-Jünger habe richtig schreiben können – ein Junge…», überlegte Fabiou. «Heute wäre er erwachsen…»
«Ja, und vielleicht hat er ja inzwischen ‘ne Glatze!», rief Frederi Jùli.
«Herr Jesus, das ist doch alles Unsinn!», ereiferte sich Bruder Antonius. «Ich bleibe dabei – die Antonius-Jünger sind tot, und wer immer die Morde jetzt begeht, er benutzt ihren Namen, um von sich abzulenken!»
«Aber wer sollte das sein?», fragte Trévigny neugierig.
«Nun, ich halte es immer noch für wahrscheinlich, dass das ganze ein Handelskrieg ist», erläuterte der Mönch. «Dieses Unternehmen Ohneberg wollte den einheimischen Kaufleuten Konkurrenz machen, und daraufhin wurde sein Abgesandter, Trostett, im Auftrag der Hiesigen ermordet. Und jetzt sind es vielleicht die von Ohneberg, die Rache an den einheimischen Händlern üben. Das könnte durchaus die Ermordung des Notars erklären, er hat sicher den einen oder anderen Kaufmann betreut. Und auch Bossard könnte an irgendwelchen Geschäften beteiligt gewesen sein.»
«Aha, du hältst also Ingelfinger für den Mörder», meinte Fabiou.
«Und Bruder Servius? Wie erklärst du dir seinen Tod?»
«Ich bin immer noch der Meinung, dass Servius’ Ermordung nichts mit den anderen Todesfällen zu tun hat», erklärte Bruder Antonius halsstarrig.
«Ach. Und der Blutschmierer an der Wand? Und die Erwähnung in Trostetts Brief?»
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«Jesus und Maria, für den Blutschmierer gibt es auch andere Erklärungen, und ich habe schon mal gesagt, der Name Servius ist häufig!»
«Nun gut», Fabiou zuckte mit den Achseln, «ein Handelskrieg also. Denkbar.» Er schrieb ‹guerre de marchands› an die Tafel.
«Sonst noch Theorien?»
Alle schwiegen. «In Ordnung», sagte Fabiou, «wir dürfen über all dem aber nicht Trostetts Brief vergessen, zu dem sich ebenfalls eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse ergeben haben.» Er griff erneut in sein Wams und förderte gleich einem Zauberkünstler die inzwischen fleckige und abgegriffene Abschrift von Trostetts Schreiben zu Tage. «Wir erinnern uns an die fünf Namen, die dieser Brief enthält – Petri, Rablois, Bruder Servius, die Quadriga, Carfadrael. Petri ist geklärt, zu Bruder Servius gibt es unterschiedliche Theorien, und der Name Quadriga ist nach wie vor rätselhaft. Anders verhält es sich aber mit Rablois und Carfadrael.» Er sah die überraschten Blicke von Antonius, Sébastien und Catarino und fuhr zufrieden grinsend fort: «Carfadrael ist ein legendärer Helfer der Armen und Schwachen, angeblich ein Adliger, der in Verkleidung gegen das Unrecht kämpft. Und wenn man unserer Suso glauben darf, hat er 1544 Joan lou Pastre vor dem Galgen gerettet.»
Bruder Antonius rang nach Luft. Catarino machte ein perplexes Gesicht. «So eine Art Robin du Bois also?», meinte Trévigny begeistert.
«Robin du Bois?»
«Ach, das ist eine englische Ballade über einen entrechteten Adligen, der im Auftrag von Richard Coeur de Lion die Reichen und Mächtigen bekämpft und das erbeutete Gut an die Armen verteilt», erklärte Sébastien.
«Hm ja, so ähnlich.» Ballade. Bei Fabiou klingelte ein ganzer Glockenturm. Eine Ballade über Carfadrael – war das nicht eine hervorragende Idee?
«Habe ich doch immer gesagt, oder?», schrie Catarino begeistert.
«Dass das eine
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