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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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ihr den Geist denn nicht irgendwie austreiben, Pater?»
    Ach, du liebes Bisschen! Er war nun wirklich kein Experte in Sachen Exorzismus! Abgesehen davon, dass er seine Zweifel hegte, ob ein Exorzismus wirklich das war, was dieses junge Ding brauchte!
    Wo kämen wir da hin, wenn wir jedes Kind, dass sich in Fantasiegebilde versteigt, als Besessene behandeln würden! «Nun, wisst Ihr, mein Kind, ein Exorzismus ist eine ernste Sache. Unmöglich, das ohne das Einverständnis Eurer Eltern durchzuführen.»
    «Aber», Schluchzen, «meine Eltern glauben mir nicht, dass ich von Agnes besessen bin!»
    Aha. «Nun, so leid es mir tut – Ihr selbst seid zu jung, um eine Entscheidung dieser Tragweite zu fällen. Aber wir können gerne miteinander beten, mein Kind. Ich bin sicher, das wird Euch helfen.»
    «Nein, das wird es nicht!» Er hörte sie mit dem Fuß aufstampfen wie ein kleines Mädchen. «Ihr müsst ihr befehlen, dass sie fortgeht! Ihr seid doch Priester, Ihr müsst so etwas doch können!»
    Warum passieren eigentlich immer mir solche Sachen? «Also, was man versuchen könnte, wäre natürlich ein kleiner Exorzismus, das müsste gehen ohne das Einverständnis Eurer Eltern…»
    «Ja?» Die Stimme klang hoffnungsvoll. «Kann man das gleich machen?»
    «Na selbstverständlich.»
    Er führte Cristino in die Kapelle der Heiligen Muttergottes, hieß
    sie niederknien und winkte einen Messdiener herbei. Dieser musste ein Weihrauchgefäß schwenken, während er Cristino mit Weihwasser besprengte und dreimal laut und befehlerisch «Hebe dich 496
    hinweg von ihr, ruheloser Geist!» rief. Danach forderte er sie auf, zur Bekräftigung noch einen Rosenkranz zu beten. «Wenn dies nicht hilft», meinte er abschließend, «müsst Ihr mit Euren Eltern wiederkommen. Mehr kann ich im Moment nicht machen.»
    «Denkt Ihr wirklich, das wirkt?», fragte der Messdiener zweifelnd, als Cristino sich mit einem glückseligen Lächeln entfernte.
    «Weißt du», seufzte der Pater, «Glaube versetzt in solchen Fällen wahrhaft Berge.»
    Und Cristino ging strahlend nach Hause und vergnügt zu Bett, las die letzten zehn Seiten des Vesalius, sprach ihr Nachtgebet und träumte von Agnes Degrelho.
    ***
    «Wer bitte?» Mèstre Crestin, der Viguié, lehnte sich zurück und betrachtete den Arquié Albin aus übernächtigten Augen. Das Parlament saß ihm im Nacken in Gestalt eines geiergesichtigen Docteur Vascarvié, was zur Folge hatte, dass er sich mittlerweile Tag und Nacht auf der Suche nach Bossards Mörder um die Ohren schlug.
    «Der kleine Bèufort», antwortete Albin.
    «Was will der schon wieder?» Laballefraou, der am Pult stand und einen Stapel von Papieren sichtete, hob den Kopf.
    «Oh, er meint, er habe wichtige Fragen bezüglich der Ermordung des Notars», meinte Albin.
    «Sagt mal, wer bin ich eigentlich?», explodierte der Viguié. «Vascarvié kommandiert mich herum wie seinen Kammerdiener, und der kleine Bèufort stellt mir Fragen, als sei er der Viguié und ich ein kleiner Taschendieb! Diesen Bengel sollte man – na, da ist er ja schon. Einen schönen guten Morgen, Baroun!» Crestin bedachte Fabiou, der ohne anzuklopfen ins Zimmer trat, mit einem Blick, als ob er ihn fressen wollte.
    «Guten Morgen!» Fabiou strahlte. Er war bester Laune, im Gegensatz zum Rest der Anwesenden. «Ich wollte nur fragen, habt Ihr inzwischen die Unterlagen des Notars Austelié durchgesehen?»
    «Ja, Baroun. Selbstverständlich, Baroun. Darf ich fragen, was zum Teufel Euch das angeht?»
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    «Na ja», Fabiou runzelte die Stirn – er war offensichtlich nur mäßig willkommen –, «ich habe da ein paar ganz interessante Zusammenhänge herausgefunden. Und in diesem Kontext würden mich Austeliés Akten aus dem Jahr 1545 interessieren.»
    Blicke wurden gewechselt zwischen dem Viguié und seinen Arquiés. «1545?», fragte Crestin unruhig. «Ausgerechnet 1545?»
    «Ja. – Wieso ausgerechnet?»
    «Nun», der Viguié räusperte sich, «es mag Zufall sein, doch in Austeliés Schreibzimmer fanden sich Unterlagen von 1532, wo er sein Amt als Notar begann, bis zum heutigen Tag, fein säuberlich in Kisten nach Jahren sortiert. Aber eine Kiste fehlte seltsamerweise.»
    «Lasst mich raten – 1545?»
    «Eben diese.» Crestin hatte die Brauen hochgezogen. «Diese seltsamen Gestalten, die Ihr beobachtet habt – von denen hatte nicht zufälligerweise eine eine Kiste unter dem Arm?»
    «Der Kahle hatte etwas unter dem Arm, aber ich konnte im Dunkeln nicht erkennen, was»,

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