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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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weißen Zähne.
    «Das klingt, als wärest du auch noch stolz darauf, einen Dieb zum Vater zu haben!», rief Catarino entrüstet.
    «Natürlich bin ich stolz auf meinen Vater. Seid Ihr nicht stolz auf den Euren?», fragte der junge Mann lächelnd.
    Catarino schnappte nach Luft. Der Junge lachte. «Kommt!», sagte er und winkte ihnen, ihm zu folgen. «He, Gustave!» Ein kräftiger Mann, der damit beschäftigt war, einer alten Mähre die Hufe auszukratzen, richtete sich auf. Fabiou erkannte ihn wieder. Es war der Feuerspucker. «Gustave, die junge Dame hier möchte das Geheimnis des Feuerspuckens erfahren.»
    Catarino trat zögernd näher. Der Mann war riesig. Eineinhalbmal so groß wie Loís. Er warf dem Jungen einen fragenden Blick zu. Der nickte. «Ja, es ist in Ordnung», sagte er, und zu Catarino gewandt meinte er: «Ihr müsst Gustave entschuldigen, er ist etwas menschenscheu.»
    Der Feuerspucker ließ noch einen unsicheren Blick über die jungen Leute gleiten, dann stapfte er zu einem Wagen und kam eine Sekunde später mit einem Eimer und einer Fackel zurück. Die Fackel entzündete er an einem Feuer, dann hob er den Eimer in die Höhe. «Öl», erklärte er. Catarino betrachete ihn gebannt. Er tauchte einen Becher in den Eimer, setzte ihn an die Lippen und ließ den Inhalt in seinen Mund fließen. Er blickte in die Runde, die Backen aufgeblasen, die Fackel erhoben. Dann hielt er die Fackel vor seinen Mund, und im nächsten Moment schoss ein Feuerstrahl in den Himmel empor, dass Catarino entsetzt zurücksprang. «Di-a-ble!», schrie Frederi Jùli. «Habt Ihr’s gesehen?», rief der junge Gaukler.
    «Keine Hexerei. Er pustet einfach das Öl in die Flamme, und psiuuuu – der Blitz geht ab!» Er sprang auf den Feuerspucker zu und nahm ihm die Fackel aus der Hand. «Jetzt seid Ihr dran!», rief er und reichte Catarino die Fackel und den Becher.
    «Waaaas? Iiiiich? Bist du wahnsinnig?»
    «Ich dachte, Ihr wolltet es lernen», meinte der junge Gaukler unschuldig, die Fackel und den Becher, von dessen Rand Öl auf den Rasen tropfte, noch immer Catarino entgegengestreckt. 507
    Catarino zog ein angewidertes Gesicht und machte einen Schritt rückwärts. Fabiou feixte. Der Junge lachte, und ohne Frederi Jùli zu beachten, der «Darf ich mal, darf ich mal?» rief, sagte er: «Na, dann eben nicht. Danke, Gustave.» Der Feuerspucker nickte und wandte sich wieder seinem Gaul zu.
    Catarino wischte die Hände an ihrem Rock ab, was eine überflüssige Handlung war, sie hatte den Becher ja nicht einmal berührt. «Wie heißt du eigentlich, Gaukler?», fragte sie den Jungen.
    «Hannes. Hannes der Akrobat, wenn’s beliebt.»
    «A-ness?»
    «Hhhannes. Mit einem H wie der letzte Seufzer. Ist ein deutscher Name.»
    «Du bist Deutscher?» Catarino wischte sich gleich noch mal die Hände ab.
    «Na, nicht direkt. Mein Vater war Deutscher. Meine Mutter war gute einheimische Provenzalin.» Er grinste. «Aber kommt. Ihr wolltet doch eine Vorhersage, war’s nicht so?»
    Fabiou, der an den Wahrsagequatsch wie gesagt nicht glaubte und das Gefühl nicht loswurde, der junge Gaukler mache sich lustig über sie, beobachtete jede seiner Bewegungen mit Argusaugen, während er sie weiter zwischen die Wagen und Zelte hineinführte. Sie erreichten ein größeres Lagerfeuer, um das einige alte Weiber und Männer herumsaßen. Einige von ihnen hielten Kleinkinder auf dem Schoß. Ringsum lagerten Hunde, wie Catarino etwas unbehaglich feststellte, große räudige Straßenköter, die, Gott sei’s gedankt, leidlich friedlich aussahen. Auf einer Art Sessel, der an einer Seite der Runde vor einem größeren Zelt postiert war, saß ein feingliedriger älterer Mann mit einem schmalen, nicht unattraktiven Gesicht und schlohweißen Haaren. Seine erhöhte Position und der seidene Mantel um seine Schultern, der ihn aus dem Einerlei der Leinenklamotten hervorhob, signalisierte, dass hier einer eine herausragende Stellung in der Truppe besaß. Folgerichtigerweise machte Hannes eine formvollendete Verbeugung in seine Richtung und sagte: «Darf ich vorstellen, hochwohlgeborene Herrschaften? Der große Malou, Führer unserer Truppe und einst der größte Akrobat des Abendlandes!»
    508
    Frederi Jùli, der sich noch gut an das erinnerte, was Hannes auf der Plaço dis Erbo über den großen Malou gesagt hatte, schielte unsicher auf dessen Beine. Die weiten Hosen, die der Anführer trug, verrieten nicht allzu viel, doch unübersehbar stand an der Lehne des Sessels ein

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