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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Paar einfache Holzkrücken. Hannes hatte offensichtlich nicht übertrieben. Über das Gesicht des Anführers war indes ein belustigtes Lächeln geglitten. «Ich wusste gar nicht, dass du Beziehungen zu so erlauchten Kreisen pflegst», sagte er, und zu Fabiou und den anderen meinte er: «Nun dann – willkommen, edle Herrschaften.»
    «Ich brauche ein Tarot», sprach Hannes in die Runde. «Wer hat ein Tarot?»
    Keine drei Sekunden später hielt Hannes einen Packen Spielkarten in der Hand und dirigierte die Besucher wieder durch die Zelte bis zu einem einsamen Feuerchen am Rande der Ansammlung. «Hier», erklärte er, «setzt Euch ans Feuer. Es geht nicht ohne Feuer, das Feuer ist das Tor in die andere Welt!» Seine Augen funkelten. Catarino betrachtete ihn äußerst aufmerksam, wie Fabiou bemerkte.
    «Setzen? Auf den Boden?», fragte Cristino entsetzt. Hannes verschwand in einem Zelt und kam mit ein paar Sitzkissen zurück. «Einen Diwan oder einen samtenen Sessel kann ich leider nicht anbieten», meinte er spöttisch. «Aber dafür sind diese Kissen hundertprozentig flohfrei.» Er legte die Kissen in einem kleinen Kreis neben das Feuer, und alle setzten sich, auch Loís, Cristino mit etwas unbehaglichem Blick auf ihr schönes Kleid, Catarino mit einem deutlichen Nasenrümpfen, aber leuchtenden Augen. Fabiou verzog das Gesicht, als er sich niedersetzte und seine Hosen dabei bis über die Waden emporrutschten. Jesus, er war schon wieder gewachsen. Er hasste Besuche beim Schneider. Da sonst niemand etwas sagte, fühlte sich Cristino genötigt, etwas zum Grund ihres Besuches anzubringen. «Es geht um dieses Mädchen», begann sie. «Agnes Degrelho hieß sie, und –»
    «Schhhh!», fiel der junge Gaukler ihr ins Wort. «Nicht weiterreden. Die Karten wissen bereits. Die Karten wissen alles!» Er beugte sich nach vorne, hantierte mit flinken Fingern an den Karten herum. Frederi Jùli starrte ihn mit offenem Mund an. «Abrakadabra, 509
    simsalabim. Ha!» Er hatte in rascher Folge einige Karten aus dem Stapel gezogen und auf den Boden vor seinen Füßen geworfen.
    «Welch erstaunliche Fügung! Die vier Könige!», rief er aus. «Der König der Schwerter, der König der Kelche, der König der Münzen und der König der Stäbe. Sie sind es, ihr Wettstreit ist es, der die Welt in Atem hält. Da – Ihr seht, wie sie in Konstellation zueinander stehen. Das Kreuz. Der Längsbalken – oben der König der Kelche, unten der König der Stäbe, sie bilden ein Paar. Und hier der Querbalken, der König der Schwerter zur Linken, der König der Münzen zur Rechten. Eigenartig, nicht wahr?»
    Oh ja, sehr eigenartig, dass er rein zufällig vier Königskarten aus dem Stapel zieht, dachte Fabiou und verdrehte die Augen. Himmel, zog der eine Schau ab!
    «Was bedeutet das?» Catarino war dagegen restlos fasziniert. Hannes hob den Kopf und schenkte ihr einen glühenden Blick aus den Bernsteinaugen. «Kampf!», flüsterte er. Seine Augen bohrten sich in die Catarinos. «Kampf auf Leben und Tod. Ein Krieg ist entbrannt zwischen den beiden Königspaaren.»
    «Hach, ist das aufregend!», hauchte Catarino.
    «Ach, und worum geht es in dem Krieg?», fragte Fabiou entnervt. «Die Reichskrone? Die Ehre Frankreichs? Oder was?»
    «Worum es geht?» Der junge Gaukler lächelte. «Um dasselbe wie immer. Geld. Macht. Reichtum. Einfluss. Besitz. Der wahre Grund jedes Krieges.» Er tippte mit der Spitze des Zeigefingers auf die Karte zur Linken. «Der König der Schwerter. Er ist stark. Armeen gehorchen seinem Befehl, ein Wort von ihm entscheidet über Leben und Sterben. Und doch ist seine Herrschaft nicht unangefochten. Ihm entgegen stehen sie!» Er wies auf den Längsbalken des Kreuzes mit dem König der Kelche und dem König der Stäbe.
    «Zwei Könige, edel von Gesinnung und hoch von Mut.»
    «Wer ist denn der König der Schwerter?», fragte Frederi neugierig. «Der König von Frankreich oder was?»
    «Pssst!», zischte Hannes verärgert. «Ihr stört die mystische Aura.» Er legte den Kopf schief, wie um zu lauschen, dann flüsterte er: «Der König der Stäbe. Er hat nichts und er ist nichts, aber hinter ihm steht die Macht der Unzählbaren. Und der König der Kelche…»
    510
    «Was macht der – herrscht über die Weinreserven oder was?»
    Fabiou verdrehte wieder die Augen.
    «Tststs.» Der Gaukler schüttelte den Kopf. «Welch niedere Vorstellungen. Der Kelch, Baroun! Der Kelch steht für den Glauben, für das Mystische, das Ideelle. Der König der

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