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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Kelche ist der Herr des Ideals, der Herr der Gerechtigkeit, des Guten und Wahren.»
    «Aha. Und der König der Kelche kämpft jetzt also mit seinen mystischen Idealen gegen die Armeen des Königs der Schwerter, oder wie?», spöttelte Fabiou.
    «Na, so etwas!» Hannes sah ihn mit einem seltsamen Grinsen an. «Ihr glaubt nicht an die Macht des Ideellen, des Edlen, Reinen, Schönen? Die hohen humanistischen Ideale eines Petrarca oder Ronsard oder Erasmus von Rotterdam?»
    Fabiou stand der Mund offen. Nicht nur, weil er sich widerlegt fühlte, vor allem weil er es unfassbar fand, dass so ein lausiger Gaukler ihm Vorträge über Petrarca hielt. «Und was bedeutet das jetzt alles?», fragte er stirnrunzelnd.
    «Wichtiger als was es bedeutet, ist was geschieht», belehrte ihn der Gaukler.
    «Und was geschieht?», seufzte Fabiou.
    Hannes zog eine Karte und ließ sie fallen. Er sah plötzlich ziemlich ernst aus, während sie fiel, auf das Kreuz segelte und die Karten auseinanderstieß. «Das passiert», meinte er. Sie starrten auf die Karte. Sie zeigte einen Turm, auseinandergerissen wie von einer gigantischen Explosion, Flammen zuckend aus seinem zerfetzten Gefüge, Menschen wie Blätter durch die Luft wirbelnd. «Der Turm. Die Katastrophe, die Zerstörung. Der König der Schwerter und sein Verbündeter siegen über die Kräfte des Guten und vernichten ihre Gegner. Und dann reitet er.» Er legte sacht eine Karte auf den Haufen. Cristino legte eine Hand auf den Mund. Auf der Karte war ein Gerippe abgebildet, in einen schwarzen Mantel gehüllt, das auf einem schwarzen Ross ritt. Es hielt eine Sense in der Hand. «Der Tod», flüsterte Cristino.
    «Er holt den König der Kelche, er holt den König der Stäbe, und deckt über alles sein fahles Tuch», murmelte Hannes. Er ging daran, die Karten einzusammeln und wieder auf einen Stapel zu legen.
    «Ja, und?», fragte Frederi Jùli enttäuscht. «War’s das schon?»
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    «Klar. Warum?»
    «Na, das ist doch ein blödes Ende», meinte der Junge. Der Gaukler zuckte mit den Achseln. «So ist das eben im Leben
    – das meiste nimmt ein blödes Ende.»
    «Ja, aber der König der Münzen ist noch am Leben, und der König der Schwerter auch, oder?», fragte Frederi.
    «Ja. Allerdings. Bedauerlich», meinte Hannes.
    «Und… und was hat das jetzt alles mit Agnes Degrelho zu tun?», fragte Cristino verwirrt.
    «Ach. Agnes Degrelho, ja.» Hannes zog eine Karte aus dem Tarot und reichte sie Cristino. Sie zeigte einen silbernen Kelch, verziert mit Rubinen und Smaragden, umrankt von Blüten. Rosen. Weißen Rosen.
    «Was ist das?», fragte sie.
    «Das As der Kelche», sagte Hannes.
    Verständnislos sah Cristino ihn an. «Was bedeutet das?»
    Er hob mit einem geheimnisvollen Lächeln die Schultern. «Wer weiß… vielleicht, dass Agnes Degrelho wichtiger ist, als alle denken. – Oh, bevor ich’s vergesse…» Er zog eine weitere Karte aus dem Stapel. «Der Ritter der Kelche. Hier», er drückte Fabiou die Karte in die Hand, «die ist natürlich für Euch.»
    «Wieso natürlich?», fragte Fabiou mit einem befremdeten Blick auf die Karte, die den Ritter der Kelche zeigte.
    «Nun», sagte Hannes mit einem seltsamen Lächeln, «Ihr seid es doch, oder?» Damit stand er auf und schlenderte zwischen den Wagen davon. Catarino seufzte tief und blickte ihm nach mit verklärtem Blick. Fabiou sprang auf. «He!», rief er. «He, warte!»
    «Das war ja wohl das schlechteste Tarot, das ich je mitansehen musste», meckerte eine raue Stimme. Fabiou drehte sich um. Hinter ihm stand das alte Weib mit den großen goldenen Ohrringen. Die Wahrsagerin. «Was hat er damit gemeint, dass ich der Ritter der Kelche bin?», fragte Fabiou.
    «Weiß ich’s? Nur närrisches Zeug, was er geredet hat. Tarot! Hat mit Tarot so viel zu tun wie Pisse mit Weihwasser. Der weiß doch gar nicht, was das Tarot ist, dieser Hampelmann!» Die Alte spuckte aus. «Wollt Ihr ein richtiges Tarot? Ich kann’s Euch machen, so dass es Euch was hilft. Ich beherrsche das Tarot. Das wirkliche Tarot.»
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    «Danke», fauchte Fabiou. «Für einen Abend war das nun wirklich genug Wahrsagerei!»
    «Ihr braucht das Tarot in der Tat nicht!», sagte die Alte spöttisch.
    «Aber die junge Dame da, die braucht’s. Nicht wahr, junge Dame?»
    Sie lächelte Cristino mit ihrem zahnlosen Mund an. Cristino dachte daran, dass sie noch immer keine Ahnung hatte, wie sie Agnes Degrelho loswerden wollte, und nickte. Die Alte betrachtete sie einen Moment lang,

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