Die Kinder des Ketzers
Dieners die Stadt über die Porto dis Augustin und begaben sich in Richtung des bunten Lagers, das hier vor den Mauern der Stadt aufgeschlagen war, das Lager der NichtBürger, des fahrenden Volkes, das zwar das Recht hatte, in der Stadt seine Künste auszuüben und Geld zu verdienen, nicht aber den Schutz der Stadt genoss. Die Sonne stand bereits tief, und der Wächter am Tor, der gähnend das Ende einer ereignislosen Schicht herbeisehnte, wies die jungen Leute darauf hin, dass die Tore beim Einbruch der Dunkelheit geschlossen würden und es bis zum Morgengrauen auch blieben. Wissen wir, wissen wir, meinte der rothaarige junge Herr, der die Gruppe anführte, und lief missmutig in den Sonnenuntergang hinaus.
Fabiou hatte sich dieser Unternehmung nur unter Protest und aufgrund massiven Drucks von Seiten seiner Schwester Catarino angeschlossen, die gedroht hatte, sie würde andernfalls Frederi von seinem Besuch beim Viguié erzählen. Er hielt das ganze selbstverständlich für Schwachsinn. Wahrsager, Hexen, Geister… ein Unsinn war das, der jedem logischen Denken widersprach! In was für einem Jahrhundert leben wir eigentlich? Schreiben wir noch die Zeit der Kreuzzüge oder was? Wir leben im Zeitalter eines Ronsards, eines Erasmus von Rotterdam, eines Magellans, und diese Gören faseln von verwunschenen Amuletten und Geisteraustreibung!
Sie hatten die Abendstunden abwarten müssen, in denen sich das fahrende Volk wieder vor der Stadt zusammenrottete, denn selbstverständlich hatte Cristino nicht riskieren können, sich mitten auf dem Marktplatz dem Hexenweib zu nähern. Natürlich war es ein Risiko, sich in ein Gauklerlager zu wagen – diese Leute stahlen und betrogen, das war allgemein bekannt –, aber bitte, wenn die jungen Damen meinen…
Ein Glück, dass sie wenigstens Loís dabeihatten. Es brauchte eine ganze Menge Gaukler, mit einem Loís fertig zu werden. Im abendlichen Gegenlicht hatte das Gauklerlager fast etwas Malerisches: Etwa zehn Zelte und Planwagen, dazwischen spielende Kinder, Frauen, die Kleider flickten oder über Lagerfeuern kochten, Männer beim Schnitzen und Werkeln an ihrer Ausrüstung. Ein paar junge Leute, jetzt abgeschminkt und in einfachen 505
Leinenkleidern anstelle der bunten Kostüme, probten ein Kunststück, ein paar Bälle flogen durch die Luft, Rufe gingen hin und her. Frederi Jùli machte Stielaugen. Fabiou, der nicht die Absicht hatte, jedes Zelt zu durchsuchen, ging zielstrebig auf die Gruppe zu. «Guten Abend. Wir suchen die Wahrsagerin, die sonst immer an der Plaço dis Erbo sitzt», sagte er. «Ist sie hier irgendwo?»
Ein hellhaariger junger Kerl, der gerade noch versucht hatte, sieben Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten, fing dieselben auf und drehte sich um. «Na, so was. Die jungen Hochwohlgeborenheiten. Habt Ihr keine Angst, so spät am Abend vor der Stadt, ganz allein?
Wo sich doch so viel Gesindel herumtreibt!» Ohne sein rotes Kostüm und die Schminke sah er ziemlich anders aus, doch wenn seine spöttische Stimme ihn nicht längst verraten hätte, hätten es im nächsten Moment die rauchigen Bernsteinaugen getan. «Was wollt Ihr von der Alten?»
«Ich will überhaupt nichts von ihr», murrte Fabiou. «Aber die jungen Damen meinen unbedingt, sie müssten sich von ihr die Zukunft voraussagen lassen oder so ähnlich.»
«Nun, da habt Ihr leider Pech gehabt. Die Alte gehört nicht zu uns, keine Ahnung, wo sie sich herumtreibt.» Die Bernsteinaugen funkelten in der Abendsonne. «Aber Ihr könnt gerne mit mir vorlieb nehmen – ich beherrsche das Tarot ebenso gut wie weiland der Zauberer Merlin!»
«Pah!», rief Catarino aus. «Du siehst überhaupt nicht aus wie ein Zauberer, crapeau !»
«Tztz, was für Ausdrücke aus so einem schönen Mund.» Der junge Gaukler schüttelte entrüstet den Kopf. «Da fällt mir ein…
wollt Ihr immer noch die Kunst des Feuerspuckens lernen, Eure Edelmütigkeit?»
«Wieso bist du immer so unverschämt, Gaukler?», fragte Catarino hochmütig.
«Oh, weil mein Vater selig zu mir sagte, bevor sie ihn an den Galgen führten: Mein Junge, sieh dir die Krähen auf dem Galgen an – besser, du krächzt wie sie, als du schweigst wie die Kadaver, die darunterhängen», erklärte der Bengel grinsend.
«Warum hat man deinen Vater denn aufgehängt?», fragte Frederi Jùli erstaunt. 506
«Warum wohl! Unserereins lügt, stielt und betrügt nun mal. Er war so dumm, sich erwischen zu lassen.» Der Junge grinste und entblößte seine blitzend
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