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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Theologie, Cristou Rechtslehre und Pierre Philosophie und Medizin.»
    «Frederi hat Theologie studiert?», rief Cristino erstaunt.
    «Oh ja – er hat sogar ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, Priester zu werden. Frederi und Cristou kamen beide 1537 nach Ais und begannen mit ihrem Studium. Pierre brachte sie oft mit zu uns nach Hause – damals wohnte ich noch dort, es war, bevor ich die Weihen empfing – und irgendwann, ‘39 oder so, kurz nach meinem Eintritt ins Kloster, begegneten sie bei einer dieser Gelegenheiten Madaleno.» Sie räusperte sich. «Es gehörte damals nicht viel dazu, sich in Madaleno unsterblich zu verlieben. Sie war siebzehn und wunderschön – wallendes, kastanienbraunes Haar, glänzende haselnussbraune Augen und eine wohlgeformte Gestalt. Aber es war nicht das allein. Sie war damals – anders. Wir alle waren anders, schätze ich; wir waren jung und unbekümmert und hatten unser ganzes Leben noch vor uns – so meinten wir zumindest.» Sie lachte etwas bitter. «Aber keinen von uns haben die Ereignisse damals so sehr verändert wie Madaleno.»
    «Die – Ereignisse? Du meinst Vaters Tod, oder?», fragte Catarino.
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    Tante Beatrix hob mit einem müden Lächeln die Schulter. «Der Tod deines Vaters, der Tod meiner Mutter, der Tod von Pierre und Hector… es kam eine Menge zusammen zu dieser Zeit.»
    «Und wie war Mutter – vorher?», fragte Catarino.
    «Sie war faszinierend.» Beatrix lächelte noch immer. «Sie war so lebendig, so lebensfroh. Wenn man sie sah, wie sie durch den Raum auf einen zutanzte, wie sie einen anstrahlte – man fühlte sich augenblicklich wie neugeboren. Wir waren alle bezaubert von ihr, und Cristou und Frederi waren nicht die einzigen Männer, die ihr zu Füßen lagen. Aber sie hatte nur Augen für euren Vater. Ich weiß nicht, was sie in ihm sah – wahrscheinlich genau das, was er selbst in sich sah, einen edlen jungen Ritter im Kampf gegen das Unrecht. Ihr Streben ging damals weit über ein oberflächliches Glück an der Seite eines wohlhabenden, einflussreichen und halbwegs gutaussehenden Gemahls hinaus. Sie wollte Liebe erfahren, nicht nur oberflächliche Zuneigung, sondern wirkliche Liebe, von einem Edelmann, der ihr zu Füßen lag wie einst die Troubadoure ihren hohen Damen. Cristou mit seinen hehren Grundsätzen vom Kampf gegen das Unrecht und für die Armen und Wehrlosen, der sie vergötterte, der sie anbetete, entsprach in jeder Hinsicht ihrem Traumbild von einem Mann. Ich denke manchmal, wenn alles anders gekommen wäre, wenn Cristou überlebt hätte, wäre Madaleno heute ein anderer Mensch. Aber Cristous Tod war für sie das Ende der Welt, in der sie gelebt hatte, das Ende ihrer Träume und ihres Glaubens an das Gute im Leben. Also flüchtete sie sich in Konventionen, in den billigen Trost ihres Standesbewusstseins, den ihr Philomenus vorlebte. Philo sagte ihr, dass alles anders gekommen sei, wenn Cristou nicht so ein skandalöses Dasein gefristet hätte, und sie glaubte ihm. Das ist die Madaleno von heute – keine Risiken mehr, keinen Schritt aus der Reihe tanzen, so lange man keinen Anstoß bei der feinen Gesellschaft erregt, kann nichts schiefgehen.»
    «Wieso? Vaters Arbeit hatte doch nichts mit seinem Tod zu tun», meinte Catarino verständnislos.
    Beatrix‘ Lächeln war starr. «Man kann das so oder so sehen, Catarino. Und was Philomenus betraf, so konnte er Cristou noch nie ausstehen. Er war von Anfang an gegen seine Heirat mit Madaleno 548
    und hat wirklich alles getan, um sie zu hintertreiben – schließlich sei Cristou zu jung und habe die falschen Freunde, und so weiter.»
    «Was für falsche Freunde denn?», fragte Cristino erstaunt.
    «Oh, Pierre und mich zum Beispiel», sagte Beatrix spöttisch. Die Kinder schenkten ihr fassungslose Blicke. «Aber Ihr – Ihr wart doch seine direkten Verwandten!», meinte Catarino verständnislos. «Sein Vetter und seine Base! Und abgesehen davon…»
    «Bin ich eine Nonne, und Pierre war ein Docteur und angesehener Wissenschaftler, ich weiß. Aber in den Augen eures Onkels waren wir erst in zweiter Linie eine Nonne und ein Docteur, und in erster Linie vor allem Humanisten und Freigeister. Und wenn Philomenus etwas hasst, dann das», erklärte Beatrix, noch immer mit einem spöttischen Lächeln um ihre ungeschminkten Lippen. «Für den guten Philomenus gab es doch kaum eine größere Schande, als jemanden in der Familie zu haben, der behauptet, dass die Erde sich um die Sonne dreht, dass das Blut im

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