Die Kinder des Ketzers
warum dich das interessiert? Bist du krank?»
«Hm. Gewissermaßen», murmelte Cristino.
Catarino verdrehte die Augen, dass Fabiou ganz schwindlig wurde, während er selbst einen tiefen, verzweifelten Seufzer ausstieß.
«Ich bin nämlich von einem Geist besessen. Vom Geist einer Toten.» Sie wies mit der ausgestreckten Hand in Richtung der Grabstätte der Degrelhos. «Da liegt sie begraben. Agnes Degrelho.»
Tante Beatrix starrte sie an. Sie schien ernsthaft sprachlos zu sein. Dann schüttelte sie heftig den Kopf. «Wie kommst du darauf, von ihr besessen zu sein?»
Jetzt seufzten beide Geschwister, während Cristino erneut ihre Geschichte von Agnes Degrelho, dem mysteriösen Medaillon, den seltsamen Ereignissen auf dem Anwesen der Degrelhos und den Prophezeiungen gewisser alter Weiber zum Besten gab. Abschließend berichtete sie über ihre bisherigen Anläufe, Hilfe zu suchen, ihren Besuch beim Priester, beim Arzt und bei der Wahrsagerin, und über deren mehr oder weniger hilfreichen Ratschläge. Tante 553
Beatrix hörte sich ihre Geschichte kommentarlos an, und auch als Cristino geendet hatte, schwieg sie und starrte reglos auf den Kies zu ihren Füßen. Sie überlegt, wie sie Cristino möglichst schonend beibringen soll, dass sie absolut geisteskrank ist, dachte Fabiou, der Tante Beatrix für eine vernünftig denkende Person hielt. Doch der einzige Kommentar, zu dem Beatrix sich schließlich hinreißen ließ, war: «Und was sagt Frederi dazu?»
Cristino schien ebenso enttäuscht wie ihre Geschwister, denn wen interessierte es schon, was Frederi sagte. «Was wird er schon sagen», meinte Cristino achselzuckend. «Dass ich spinne, dass es heidnischer Aberglaube ist, an die Geister von Toten zu glauben, dass ich beten und zur Messe gehen soll… solche Dinge eben.»
«Und sonst… nichts?», fragte Beatrix. Sie schien diese Tatsache unfassbar zu finden.
«Nein, sonst nichts», sagte Cristino lahm.
Beatrix schüttelte den Kopf. «Frederi», seufzte sie. Es klang nicht so, wie Catarino «Frederi» zu sagen pflegte, nicht verächtlich oder erbost. Eher ziemlich verzweifelt.
«Ich… ich dachte mir… Ihr seid schließlich Ordensschwester, und wenn Ihr Euch dazu noch mit der Medizin auskennt…», Cristino bedachte ihre Tante mit einem flehentlichen Augenaufschlag,
«da dachte ich, vielleicht könnt Ihr mir raten, was ich tun soll… «
Beatrix holte tief Luft. «Ich… kenne mich nicht so gut aus mit…
solchen Dingen. Ich müsste das nachlesen.» Sie betrachtete Cristino mit gerunzelter Stirn. «Ich komme nächste Woche am besten bei euch vorbei und sage dir, was ich herausgefunden habe. Einverstanden?»
«Einverstanden», sagte Cristino. Sie fühlte sich erleichtert. Jede Perspektive, wie wenig erfolgversprechend sie auch sein mochte, hatte etwas Beruhigendes.
«Ansonsten muss ich ehrlich sagen, dass der Rat dieser ‹Wahrsagerin›» – sie sprach das Wort mit deutlichem Spott aus – «ganz vernünftig klingt. Was immer der Grund für deine seltsamen Wahrnehmungen ist, ich denke, es kann dir nur gut tun, die Wahrheit über Agnes Degrelhos Tod herauszufinden.»
«Habt Ihr vorhin nicht zugegeben, dass die Sache gefährlich werden kann?», fragte Fabiou missmutig. Er hatte wirklich keine 554
Lust, seine gestörte Schwester auf seine Nachforschungen mitzuschleppen. «Das ist ja wohl wirklich nichts für ein Mädchen!»
Tante Beatrix kam nicht mehr zu einer Antwort, denn in diesem Augenblick rief Catarino aus: «Ach, ich finde, du solltest einfach aufhören, dir Gedanken über Agnes Degrelho zu machen und dich stattdessen mit den angenehmen Aspekten des Lebens beschäftigen. Zum Beispiel dem, der da gerade daherspaziert kommt.» Sie wies mit dem Daumen über ihre Schulter.
Fabiou drehte sich um und zog augenblicklich den Kopf ein. Wer da über den Kiesweg geschlendert kam, war niemand anderes als Alexandre de Mergoult.
«Er schwärmt nämlich für Cristino», meinte Catarino grinsend.
«Ach…», murmelte Cristino verlegen.
«Und sie für ihn», ergänzte Catarino.
«Wer sind denn die Leute da neben ihm?», versuchte Cristino, die knallrot geworden war, von dem peinlichen Thema abzulenken. An Mergoults Seite marschierte ein fremder Herr, der eine Dame am Arm führte. Beide waren alt genug, um seine Eltern zu sein.
«Na, die Mergoults sind es jedenfalls nicht», meinte Fabiou, dessen Kopf wieder aus der Versenkung aufgetaucht war, nachdem er die Lage sondiert und Mergoults kleinen Bruder nirgends
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